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16.Szene (= H 4,15)

Woyzeck.
Der Jude.

WOYZECK. Das Pistolche ist zu theuer.

JUD. Nu, kauft's oder kauft's nit, was is?

WOYZECK. Was kost das Messer?

JUD. S' ist ganz, grad. Wollt Ihr Euch den Hals mit abschneide? Nu, was is es? Ich geb's Euch so wohlfeil wie ein andrer, Ihr sollt Euern Tod wohlfeil haben, aber doch nit umsonst. Was is es? Er soll nen ökonomischen Tod habe.

WOYZECK. Das kann mehr als Brod schneide.

JUD. Zwee Grosche.

WOYZECK. Da! Geht ab.

JUD. Da! Als ob's nichts wär. Und s' is doch Geld. Der Hund.


17. Szene (= H 4,16)

Marie (allein, blättert in der Bibel).

MARIE »Und ist kein Betrug in seinem Munde erfunden« – Herrgott! Herrgott! Sieh mich nicht an. Blättert weiter. »Aber die Pharisäer brachten ein Weib zu ihm, im Ehebruch begriffen und stelleten sie in's Mittel dar. – Jesus aber sprach: So verdamme ich dich auch nicht. Geh hin und sündige hinfort nicht mehr.« Schlägt die Hände zusammen. Herrgott! Herrgott! Ich kann nicht. Herrgott gieb mir nur soviel, daß ich beten kann. Das Kind drängt sich an sie. Das Kind giebt mir einen Stich in's Herz. Karl! Das brüst sich in der Sonne!

NARR liegt und erzählt sich Mährchen an den Fingern. Der hat die golden Kron, der Herr König. Morgen hol' ich der Frau Königin ihr Kind. Blutwurst sagt: komm Leberwurst! Er nimmt das Kind und wird still.

MARIE. Der Franz ist nit gekomm, gestern nit, heut nit, es wird heiß hier. Sie macht das Fenster auf.

»Und trat hinein zu seinen Füßen und weinete und fing an seine Füße zu netzen mit Thränen und mit den Haaren ihres Hauptes zu trocknen und küssete seine Füße und salbete sie mit Salben.« Schlägt sich auf die Brust. Alles todt! Heiland, Heiland ich möchte dir die Füße salben.



18. Szene (= H 4,17)

Kaserne.
Andres. Woyceck, kramt in seinen Sachen.

WOYZECK. Das Kamisolche Andres, ist nit zur Montur, du kannst's brauche Andres. Das Kreuz is meiner Schwester und das Ringlein, ich hab auch noch ein Heiligen, zwei Herze und schön Gold, es lag in meiner Mutter Bibel, und da steht:


Leiden sey all mein Gewinst,

Leiden sey mein Gottesdienst.

Herr wie dein Leib war roth und wund,

So laß mein Herz seyn aller Stund.



Mei Mutter fühlt nur noch, wenn ihr die Sonn auf die Händ scheint. Das thut nix.

ANDRES ganz starr, sagt zu Allem. Ja wohl.

WOYZECK zieht ein Papier hervor. Friedrich Johann Franz Woyzeck, Wehrmann, Füsilir im 2. Regiment, 2. Bataillon, 4. Compagnie, geb. d.i. ich bin heut alt 30 Jahr, 7 Monat und 12 Tage.

ANDRES. Franz, du kommst in's Lazareth. Armer du mußt Schnaps trinke und Pulver drin das tödt das Fieber.

WOYZECK. Ja Andres, wann der Schreiner die Hobelspän sammlet, es weiß niemand, wer sein Kopf drauf lege wird.



19. Szene (= H 1,14)

Marie mit Mädchen vor der Haustür.

MÄDCHEN.

Wie scheint die Sonn St. Lichtmeßtag

Und steht das Korn im Blühn.

Sie gingen wohl die Straße hin,

Sie gingen zu zwei und zwein.

Die Pfeifer gingen vorn,

Die Geiger hinte drein.

Sie hatte rothe Sock ...

1. KIND. S' ist nit schön.

2. KIND. Was willst du auch immer!

Was hast zuerst anfangen

Warum?

Ich kann nit.

Darum!

Es muß singen

Aber warum darum?

Magrethche [Marie] sing du uns.

MARGRETH [MARIE]. Kommt ihr klei Krabben!

Ringle, ringel Rosenkranz. König Herodes.

Großmutter erzähl.

GROSSMUTTER. Es war eimal ein arm Kind und hat kei Vater und kei Mutter war Alles todt und war Niemand mehr auf der Welt. Alles todt, und es ist hingangen und hat greint Tag und Nacht. Und weil auf der Erd Niemand mehr war, wollt's in Himmel gehn, und der Mond guckt es so freundlich an und wie's endlich zum Mond kam, war's ein Stück faul Holz und da ist es zur Sonn gangen und wie's zur Sonn kam, war's ein verreckt Sonneblum und wie's zu den Sterne kam, warens klei golde Mück, die waren angesteckt wie der Neuntödter sie auf die Schlehe steckt und wie's wieder auf die Erd wollt, war die Erd ein umgestürzter Hafen und war ganz allein und da hat sich's hingesetzt und geweint und da sitzt es noch und ist ganz allein.

LOUIS [WOYZECK]. Magreth [Marie]!

MARGRETH [MARIE] erschreckt. Was ist?

LOUIS [WOYZECK]. Magreth [Marie] wir wolln gehn. S' ist Zeit.

MARGRETH [MARIE]. Wohinaus?

LOUIS [WOYZECK]. Weiß ich's?



20. Szene (= H 1,15)

Marie und Woyzeck.

MARGRETH [MARIE]. Also dort hinaus ist die Stadt. S' ist finster.

LOUIS [WOYZECK]. Du sollst noch bleiben. Komm setz dich.

MARGRETH [MARIE]. Aber ich muß fort.

LOUIS [WOYZECK]. Du wirst dir die Füß nicht wund laufen.

MARGRETH [MARIE]. Wie bist du nur auch!

LOUIS [WOYZECK]. Weißt du auch wie lang es just ist, Magreth [Marie]?

MARGRETH [MARIE]. An Pfingsten 2 Jahr.

LOUIS [WOYZECK]. Weißt du auch wie lang es noch seyn wird?

MARGRETH [MARIE]. Ich muß fort das Nachtessen richten.

LOUIS [WOYZECK]. Friert's dich Magreth [Marie], und doch bist du warm. Was du heiße Lippen hast! (heiß, heiß Hurenathem) und doch möcht' ich den Himmel geben sie noch eimal zu küssen.

[??] und wenn man kalt ist so friert man nicht mehr.

Du wirst vom Morgenthau nicht frieren.

MARGRETH [MARIE]. Was sagst du?

LOUIS [WOYZECK]. Nix. Schweigen.

MARGRETH [MARIE]. Was der Mond roth auf geht.

LOUIS [WOYZECK]. Wie ein blutig Eisen.

MARGRETH [MARIE]. Was hast du vor? Louis [Franz], du bist so blaß. Louis [Franz] halt! Um des Himmels willen, Hü – Hülfe!

LOUIS [WOYZECK]. Nimm das und das! Kannst du nicht sterben? So! so! Ha sie zuckt noch, noch nicht, noch nicht? Immer noch? Stößt zu. Bist du todt? Todt! Todt! Es kommen Leute, läuft weg.



 
 
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