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Vierter Aufzug

1. Szene

Zimmer auf dem Schlosse.


Othello und Jago.

JAGO
Wie dünkt Euch das?

OTHELLO
Was soll mich dünken?

JAGO
Was,
Sich heimlich küssen?

OTHELLO
Ein verbotner Kuß!

JAGO
Oder nackt im Bett mit ihrem Freunde sein,
Wohl stundenlang und mehr, in aller Unschuld?

OTHELLO
Im Bette, Jago, und in aller Unschuld?
Das hieße Heuchelei ja mit dem Teufel!
Wer keusch sein will und solches tut, des Tugend
Versucht der Teufel, und er selbst den Himmel.

JAGO
Wenn sie nichts taten, war der Fehl nicht groß;
Doch, wenn ich meiner Frau ein Tuch verehrt -

OTHELLO
Nun dann?

JAGO
Nun, dann gehörts ihr, gnädger Herr, und folglich
Darf sie's verschenken, mein ich, wem sie will.

OTHELLO
Sie ist Gebieterin auch ihrer Ehre;
Darf sie die auch verschenken?

JAGO
Die Ehr ist nur ein unsichtbares Wesen,
Und oft besitzt sie der, der sie nicht hat;
Allein das Tuch -

OTHELLO
Bei Gott, mit Freuden hätt ich das vergessen!
Du sagtest - o es schwebt um mein Gedächtnis,
So wie der Rab um ein verpestet Haus,
Verderben droh'nd -, er habe jenes Tuch.

JAGO
Nun was denn?

OTHELLO
Das ist doch nicht gut, gewiß!

JAGO
Sagt ich noch gar, ich sah ihn Euch beschimpfen,
Oder hört ihn sagen - wie's denn Schurken gibt,
Die, wenn sie durch ihr ungestümes Werben
Oder durch frei Vergaffen eines Weibes
Sie zwangen oder kirrten, nimmer ruhn,
Bis sie geschwatzt -

OTHELLO
Hat er so was gesagt?

JAGO
Das hat er, gnädiger Herr! Doch seid versichert,
Nicht mehr, als er abschwören wird.

OTHELLO
Was sagt' er?

JAGO
Daß er bei ihr - ich weiß nicht, wie er sagte -

OTHELLO
Was, was?

JAGO
Gelegen -

OTHELLO
Bei ihr?

JAGO
Bei ihr, auf ihr, wie Ihr wollt.

OTHELLO
Bei ihr gelegen, auf ihr! - Bei ihr gelegen, das ist Unzucht! Das Tuch - diese Geständnisse - das Tuch! Eingestehn und dann für die Mühe gehängt werden; zuerst gehängt, dann eingestehn. - Ich zittre davor! - Natur würde sich nicht in so verfinsternde Qual hüllen, wäre es nicht Vorbedeutung. Nicht Worte, die mich so erschüttern! - Hu! Nasen, Ohren und Lippen. Ist es möglich? Eingestehn - Tuch! O Teufel! -
Er fällt in Ohnmacht.

JAGO
Wirk fort,
Mein Gift, wirk fort! So fängt man gläubige Narren!
Manch wackre, keusche Frau kommt grade so
Ganz schuldlos ins Geschrei. - Auf, gnädiger Herr!
Othello! Gnädiger Herr! -
Cassio tritt auf.
Was wollt Ihr, Cassio?

CASSIO
Was gibts?

JAGO
Der Feldherr stürzte jetzt in Krämpfen hin;
Dies ist seit gestern schon sein zweiter Anfall.

CASSIO
So reib ihn um die Schläfe!

JAGO
Nein, laß ab,
Laß ihn in seiner Starrsucht ungestört,
Sonst schäumt es ihm vorm Mund und rast er bald
In wilder Tobsucht. Sieh, er rührt sich wieder;
Entferne dich auf einen Augenblick,
Er wird sich schnell erholen; wenn er fort ist,
Hätt ich mit dir ein wichtig Wort zu reden. -
Cassio ab.
Wie ist Euch? Habt Ihr nicht den Kopf verletzt?

OTHELLO
Sprichst du mir Hohn?

JAGO
Euch höhnen? Nein, bei Gott!
Ich wollt. Ihr trügt Euer Schicksal wie ein Mann.

OTHELLO
Gehörnter Mann ist nur ein Vieh, ein Untier.

JAGO
So gibt es manches Vieh in großen Städten
Und manch vornehmes Untier.

OTHELLO
Gestand ers ein?

JAGO
Mein Feldherr, seid ein Mann!
Denkt, jeder bärtge Mensch ins Joch gespannt,
Zieht neben Euch. Millionen leben rings,
Die nächtlich ruhn auf preisgegebnem Lager,
Das sie ihr eigen wähnen. Ihr steht besser.
O das ist Satansfest, Erzspaß der Hölle,
Ein unkeusch Weib im sichern Ehbett küssen
Und keusch sie glauben! Nein, Gewißheit will ich:
Und weiß ich, was ich bin, weiß ich, was aus ihr wird.

OTHELLO
Oh, du bist klug; 's ist sicher.

JAGO
Geht zur Seite
Für kurze Zeit und haltet Euch geduldig.
Indes Ihr ganz von Eurem Gram vernichtet
- Ein Ausbruch, wenig ziemend solchem Mann -,
Kam Cassio her; ich wußt ihn wegzuschaffen
Und Euren Anfall triftig zu entschuldigen;
Dann lud ich ihn zurück auf ein Gespräch,
Was er verhieß. Nun bergt Euch irgendwo
Und merkt den Hohn, den Spott, die Schadenfreude
In jeder Miene seines Angesichts,
Denn beichten soll er mir aufs neu den Hergang,
Wo, wann, wie oft, wie lange schon und wie
Er Euer Weib geherzt und herzen wird.
Merkt, sag ich, sein Gebärdenspiel! O still doch!
Sonst denk ich. Ihr seid ganz und gar nur Wut
Und nichts von einem Manne.

OTHELLO
Hörst du's, Jago?
Ich will höchst schlau jetzt den Geduldigen spielen;
Doch - hörst du's? - dann den Blutigen.

JAGO
So ists recht,
Jedes zu seiner Zeit. Nun geht beiseite!
Othello tritt beiseite.
Jetzt will ich Cassio nach Bianca fragen,
Ein gutes Ding, das, ihre Gunst verkaufend,
Sich Brot und Kleider anschafft. Dies Geschöpf
Läuft Cassio nach, und 's ist der Dirnen Fluch,
Nachdem sie zehn getäuscht, täuscht einer sie.
Er, wenn er von ihr hört, erwehrt sich nicht
Laut aufzulachen. Sieh, da kommt er her.
[Cassio tritt auf. ]
Und wie er lächelt, soll Othello wüten,
Und seine unerfahrne Eifersucht
Wird Cassios Lächeln, Scherz und leichtes Wesen
Ganz mißverstehn. -
Cassio kommt zurück.
Leutnant, wie gehts Euch jetzt?

CASSIO
So schlimmer, weil du mir den Titel gibst,
Dessen Verlust mich tötet.

JAGO
Nutz Desdemona gut, so kanns nicht fehlen.
Leiser.
Ja, läge dies Gesuch in Biancas Macht,
Wie schnell wärst du am Ziel!

CASSIO
Das arme Ding!

OTHELLO
beiseit.
Seht nur, wie er schon lacht!

JAGO
Nie hab ich so verliebt ein Weib gesehn.

CASSIO
Das gute Närrchen! Ja, sie liebt mich wirklich.

OTHELLO
beiseit.
Jetzt leugnet ers nur schwach und lacht es weg!

JAGO
Hör einmal, Cassio -

OTHELLO
beiseit.
Jetzt bestürmt er ihn,
Es zu gestehn; nur fort, recht gut, recht gut!

JAGO
Sie rühmt sich schon, du nimmst sie bald zur Frau;
Ist das dein Ernst?

CASSIO
Ha, ha, ha, ha!

OTHELLO
beiseit.
Triumphierst du, Römer? Triumphierst du schon?

CASSIO
Ich sie zur Frau nehmen? - Was! Eine Buhlschwester? Ich bitt dich, habe doch etwas Mitleid mit meinem Witz; halt ihn doch nicht für so ganz ungesund. Ha, ha, ha!

OTHELLO
beiseit.
So, so, so; wer gewinnt, der lacht.

JAGO
Wahrhaftig, die Rede geht, du würdest sie heiraten.

CASSIO
Nein, sag mir die Wahrheit!

JAGO
Ich will ein Schelm sein!

OTHELLO
beiseit.
Ich trage also dein Brandmal? Gut!

CASSIO
Das hat der Affe selbst unter die Leute gebracht. Aus Eitelkeit hat sie sichs in den Kopf gesetzt, ich werde sie heiraten; nicht weil ichs versprochen habe.

OTHELLO
beiseit.
Jago winkt mir, nun fängt er die Geschichte an.

CASSIO
Eben war sie hier; sie verfolgt mich überall. Neulich stand ich am Strande und sprach mit einigen Venezianern, da kommt wahrhaftig der Grasaffe hin und, so wahr ich lebe, fällt mir so um den Hals.

OTHELLO
beiseit.
Und ruft: O lieber Cassio! oder etwas Ähnliches; denn das deutet seine Gebärde.

CASSIO
Und hängt, und küßt, und weint an mir, und zerrt und zupft mich. Ha, ha, ha!

OTHELLO
beiseit.
Jetzt erzählt er, wie sie ihn in meine Kammer zog! Oh, ich sehe deine Nase, aber noch nicht den Hund, dem ich sie vorwerfen will.

CASSIO
Nun, ich muß sie aufgeben.

JAGO
Bewahr mich! Sieh, da kommt sie.
[Bianca tritt auf. ]

CASSIO
Das ist so eine Art Iltis, ja, aber parfümiert. -
Bianca tritt auf.
Was willst du nur, daß du mir so nachläufst?

BIANCA
Mag der Teufel und seine Großmutter dir nachlaufen! Was hast du mit dem Taschentuch vor, das du mir jetzt eben gabst? Ich war eine rechte Närrin, daß ichs nahm. Ich soll die ganze Arbeit abzeichnen? Recht wahrscheinlich, daß du's in deinem Zimmer sollst gefunden haben und nicht wissen, wers da ließ. 's ist das Geschenk irgendeines Schätzchens, und ich soll die Arbeit abzeichnen? Da, gibs deinem Steckenpferde! Woher du's auch hast, ich werde die Stickerei nicht abzeichnen.

CASSIO
Still doch, nieine süße Bianca, still doch, still!

OTHELLO
beiseit.
Beim Himmel, ist das nicht mein Taschentuch?

BIANCA
Willst du heut abend zum Essen kommen, so tu's, willst du nicht, so komm ein andermal, wenn dir es paßt.
Ab.

JAGO
Geh ihr nach, geh ihr nach!

CASSIO
Das muß ich wohl, sonst zankt sie noch auf der Straße.

JAGO
Willst du zu Abend bei ihr essen?

CASSIO
Ich denke ja!

JAGO
Vielleicht treff ich dich dort, denn ich hätte in der Tat notwendig mit dir zu reden.

CASSIO
Bitt dich, komm! Willst du?

JAGO
Gut, nichts mehr.
Cassio ab.

OTHELLO
hervortretend.
Wie mord ich ihn, Jago?

JAGO
Bemerktet Ihr, wie er zu seiner Schandtat lachte?

OTHELLO
O Jago!

JAGO
Und saht Ihr das Tuch?

OTHELLO
Wars meines?

JAGO
Eures, bei dieser Hand; und seht nur, wie er das törichte Weib, Eure Gattin, achtet! Sie schenkt es ihm, und er schenkt es seiner Dirne.

OTHELLO
O daß ich neun Jahre an ihm morden könnte! - Ein hübsches Weib, ein schönes Weib, ein süßes Weib!

JAGO
Das müßt Ihr jetzt vergessen.

OTHELLO
Mag sie verfaulen und verderben und zur Hölle fahren heute nacht; denn sie soll nicht leben. Nein, mein Herz ist zu Stein geworden; ich schlage daran, und die Hand schmerzt mich. O die Welt besitzt kein süßeres Geschöpf; sie hätte an eines Kaisers Seite ruhen und ihm Sklavendienste gebieten können.

JAGO
Nein, daran müßt Ihr nicht denken.

OTHELLO
Sei sie verdammt! Ich sage nur, was sie ist: So geschickt mit ihrer Nadel! Eine bewundernswerte Tonkünstlerin! Oh, sie würde die Wildheit eines Bären zahm singen! Von so feinem herrlichem Witz, so geistreich!

JAGO
Und deshalb so schlimmer!

OTHELLO
O tausend-, tausendmal! - Und dann von so holder Gefälligkeit!

JAGO
Freilich zu gefällig!

OTHELLO
Ja, ganz gewiß; aber, wie schade dennoch, Jago! O Jago, wie schade, Jago!

JAGO
Wenn Ihr verliebt in ihre Sünden seid, so gebt ihr einen Freibrief zu freveln; denn wenns Euch nicht rührt, geht es keinen etwas an.

OTHELLO
Ich will sie in Stücke hacken. Mir Hörner aufsetzen!

JAGO
O es ist schändlich von ihr.

OTHELLO
Mit meinem Leutnant!

JAGO
Das ist noch schändlicher.

OTHELLO
Schaff mir Gift, Jago, diese Nacht! Ich will sie nicht zur Rede stellen, damit ihre Gestalt und Schönheit meinen Zorn nicht wieder entwaffnen. - Diese Nacht, Jago!

JAGO
Tut es nicht mit Gift; erdrosselt sie in ihrem Bett, demselben Bett, das sie entehrt hat!

OTHELLO
Gut! Die Gerechtigkeit darin gefällt mir; sehr gut!

JAGO
Und Cassio - diesen übernehm ich selbst,
Um Mitternacht erfahrt Ihr mehr.
[Man hört eine Trompete. ]

OTHELLO
Vortrefflich! -
Eine Trompete hinter der Szene.
Horch, was meldet die Trompete?

JAGO
Nachricht wohl von Venedig, 's ist Lodovico,
Gesandt vom Herzog; mit ihm kommt Eur Weib.
Lodovico, Desdemona und Gefolge treten auf.

LODOVICO
Heil, würdiger General!

OTHELLO
Willkommen, Herr!

LODOVICO
Euch grüßt Venedigs Herzog und Senat.
Er übergibt ihm einen Brief.

OTHELLO
Ich küsse seines Willens Dokument.
Er öffnet den Brief und liest.

DESDEMONA
Was bringt Ihr Neues, Vetter Lodovico?

JAGO
Es freut mich höchlich, Euch zu sehn, Signor!
Willkommen hier in Zypern!

LODOVICO
Ich dank Euch. Was macht Leutnant Cassio, Herr?

JAGO
Er lebt, Signor.

DESDEMONA
Mein Vetter, er ist schlimm mit meinem Gatten
Zerfallen; doch Ihr werdet sie versöhnen.

OTHELLO
Seid Ihr des so gewiß?

DESDEMONA
Wie, Herr?

OTHELLO
liest.
Dies zu vollbringen säumt nicht, wenn Ihr wollt...

LODOVICO
Er rief dich nicht; der Brief beschäftigt ihn.
Ist Feindschaft zwischen deinem Herrn und Cassio?

DESDEMONA
Ja, recht unglücklich. Ich gäb viel darum,
Sie auszusöhnen, denn ich liebe Cassio.

OTHELLO
Feuer und Schwefel!

DESDEMONA
Herr!

OTHELLO
Bist du bei Sinnen?

DESDEMONA
Wie? Zürnst du?

LODOVICO
's ist der Brief, der ihn bewegt;
Denn, wie ich glaube, ruft man ihn zurück,
Und Cassio wird statt seiner Gouverneur.

DESDEMONA
Fürwahr! Das freut mich.

OTHELLO
In der Tat?

DESDEMONA
Wie, Herr?

OTHELLO
Mich freuts, dich toll zu sehn.

DESDEMONA
O mein Othello!

OTHELLO
Teufel!
Schlägt sie.

DESDEMONA
Das hab ich nicht verdient.

LODOVICO
Herr General,
Das würde keiner in Venedig glauben,
Und schwür ich auch, ich sahs. Das geht zu weit.
Bittet ihrs ab, sie weint!

OTHELLO
O Teufel! Könnte
Die Erde sich von Weibertränen schwängern,
Aus jedem Tropfen wüchs ein Krokodil! -
Mir aus den Augen!

DESDEMONA
Ich geh. Euch nicht zu ärgern.
Will abgehn.

LODOVICO
In Wahrheit, ein gehorsam Weib!
Ich bitt Euch, gnädiger Herr, ruft sie zurück!

OTHELLO
Frau -

DESDEMONA
Mein Gemahl?

OTHELLO
Was wollt Ihr mit ihr, Herr?

LODOVICO
Wer? Ich, Herr?

OTHELLO
Ihr wünschtet ja, daß sie umkehren möchte.
Umkehren kann sie, und doch vorwärts gehn,
Und wieder drehn; und weinen kann sie, weinen;
Und ist gehorsam, wie Ihr sagt, gehorsam,
Ja, sehr gehorsam. Immerfort geweint!
Was dies betrifft - o recht geschickt im Heucheln! -
Ich bin zurückberufen. - Geh du fort;
Ich schicke gleich nach dir. - Herr, dem Befehl gehorch ich
Und kehre nach Venedig. - Fort! Hinaus! -
Desdemona geht ab.
Cassio bekommt mein Amt. Und Herr, heut abend
Ersuch ich Euch, mit mir zu Nacht zu speisen.
Willkommen hier in Zypern! - Ziegen und Affen!
Ab.

LODOVICO
Ist dies der edle Mohr, den der Senat
Sein ein und alles nennt? Der edle Geist,
Den Leidenschaft nicht regt? Des feste Tugend
Kein Pfeil des Zufalls, kein Geschoß des Glücks
Streift und durchbohrt?

JAGO
Er hat sich sehr geändert.

LODOVICO
Ist er nicht wohl? Hat sein Verstand gelitten?

JAGO
Er ist so wie er ist; ich darf nicht schelten.
Gott geb, er wäre, was er könnte sein;
Jetzt ist ers nicht.

LODOVICO
Was? Seine Frau zu schlagen!

JAGO
Gewiß, das war nicht fein; doch dieser Schlag,
Wünscht ich, wär nicht sein Ärgstes.

LODOVICO
Ist er oft so?
Sagt, oder hat der Brief sein Blut erhitzt,
Daß er sich heut nur so verging?

JAGO
Ach leider!
Nicht wärs gewissenhaft von mir, erzählt ich,
Was ich erfuhr und sah. Habt acht auf ihn,
Sein eigner Wandel wird ihn so bezeichnen,
Daß Ihr mein Wort entbehren könnt. Beachtet
Ihn nur, wenn Ihr mit ihm zusammen seid!

LODOVICO
Es schmerzt mich, daß ich mich in ihm getäuscht.
Sie gehn ab.




2. Szene

Zypern. Ein [andres ] Zimmer auf dem Schlosse


Othello und Emilia treten auf.

OTHELLO
So habt Ihr nichts gesehn?

EMILIA
Auch nie gehört, noch Argwohn je geschöpft.

OTHELLO
Ja, du sahst Cassio und sie beisammen.

EMILIA
Doch sah ich dann kein Unrecht, und dann hört ich
Jedwede Silbe, die gewechselt ward.

OTHELLO
Was, flüsterten sie nie?

EMILIA
Nein, gnädiger Herr!

OTHELLO
Und schickten nie dich fort?

EMILIA
Niemals.

OTHELLO
Um Fächer, Maske, Handschuh ihr zu holen?

EMILIA
Nein, gnädiger Herr!

OTHELLO
s' ist seltsam.

EMILIA
Ich wollt auf ihre Tugend meine Seele
Zum Pfande setzen; wenn Ihr anders denkt,
Gebt nicht dem Argwohn Raum, der Euch betört!
Wenn dies ein Schelm Euch in den Kopf gesetzt,
Dem lohns der Himmel mit dem Fluch der Schlange!
Denn ist nicht diese redlich, keusch und treu,
Ist kein Mann glücklich, ist die reinste Frau
Schwarz wie Verleumdung.

OTHELLO
Laß sie kommen; geh!
Emilia geht.
Sie sagt genug; doch jede Kupplerin
Erzählt dasselbe. Schlau ist diese Metze,
Ein heimlich Schloß und Riegel schnöder Sünden;
Doch kniet und betet sie; ich sah es selbst.
Emilia und Desdemona treten auf.

DESDEMONA
Was wollt Ihr, mein Gemahl?

OTHELLO
Komm, Täubchen, komm!

DESDEMONA
Was ist Euer Wunsch?

OTHELLO
Laß dir ins Auge sehn;
Schau ins Gesicht mir!

DESDEMONA
Welch ein grausiger Einfall!

OTHELLO
zu Emilia.
Nun deine Künste, Weibsbild!
Laß Buhler nun allein und schließ die Tür;
Hust oder rufe hem, wenn jemand kommt.
Dein Handwerk, an dein Handwerk! Mach dich fort!
Emilia geht ab.

DESDEMONA
Ich flehe knieend: sag mir, was du meinst!
Dein Wort versteh ich nicht, doch aus dem Wort
Tönt Raserei.

OTHELLO
Ha, was bist du?

DESDEMONA
Dein Weib, mein Gatte,
Dein pflichtgetreues Weib.

OTHELLO
Komm, schwörs, verdamm dich selbst, daß nicht die Teufel,
Geschreckt von deiner Engelbildung, zittern,
Dich zu ergreifen; drum verdamm dich doppelt,
Schwör, du seist treu!

DESDEMONA
Der Himmel weiß, ich bins.

OTHELLO
Der Himmel weiß, falsch bist du wie die Hölle!

DESDEMONA
Wem, mein Gemahl? Mit wem? Wie bin ich falsch?

OTHELLO
O Desdemona! Fort mit dir, fort, fort!

DESDEMONA
O Tag des Jammers! - Wehe, warum weinst du?
Bin ich, mein Gatte, Ursach dieser Tränen?
Hast du vielleicht den Vater in Verdacht,
Er sei das Werkzeug deiner Heimberufung,
Gib mir die Schuld nicht. Hast du ihn verloren,
Nun, ich verlor ihn auch.

OTHELLO
Gefiel es Gott,
Durch Trübsal mich zu prüfen, goß er Schmach
Und jede Kränkung auf mein nacktes Haupt,
Versenkt' in Armut mich bis an die Lippen,
Schlug samt der letzten Hoffnung mich in Fesseln,
Doch fänd ich wohl in einem Herzenswinkel
Ein Tröpfchen von Geduld. Doch mich zu machen
Zum festen Bilde für die Zeit des Hohns,
Mit langsam drehndem Finger drauf zu weisen!
[Oh! Oh! ]
Und dies auch könnt ich tragen, sehr, sehr wohl;
Doch da, wo ich mein Herz als Schatz verwahrt,
Wo ich muß leben oder gar nicht leben,
Der Quell, aus dem mein Leben strömen muß,
Denn sonst versiegt er: - da vertrieben sein,
Oder ihn schaun als Sumpf für ekler Kröten
Begehn und Brüten - da verfinstre dich,
Geduld, du junger, rosenwangiger Cherub!
Ja, schau so grimmig als die Hölle!

DESDEMONA
Ich hoffe, mein Gemahl hält mich für treu.

OTHELLO
O ja, wie Sommerfliegen auf der Fleischbank,
Die im Entstehn schon buhlen. O du Unkraut,
So reizend lieblich und von Duft so süß,
Daß du den Sinn betäubst - o wärst du nie geboren!

DESDEMONA
Welch unbewußten Fehl konnt ich begehen?

OTHELLO
Dies reine Blatt, dies schöne Buch nur dazu,
Um Metze drauf zu schreiben? Was begehn!
Begehn? O du ganz freche Buhlerin!
Schmelzöfen müßt ich machen aus den Wangen,
Und meine Sittsamkeit zu Asche brennen,
Nennt ich nur deine Taten. Was begehn?
Dem Himmel ekelts und der Mond verbirgt sich,
Der Buhler Wind, der küßt, was ihm begegnet,
Versteckt sich in den Höhlungen der Erde
Und will nichts davon hören! Was begehn?
Schamlose Metze!

DESDEMONA
Bei Gott, Ihr tut mir Unrecht!

OTHELLO
Du keine Metze?

DESDEMONA
Nein, so wahr ich Christin!
Wenn meinem Herrn bewahren dies Gefäß
Vor jeder schnöden, sträflichen Berührung
Heißt keine Metze sein, so bin ich keine.

OTHELLO
Du keine Hure?

DESDEMONA
Nein, so helfe Gott mir!

OTHELLO
Ists möglich?

DESDEMONA
O Himmel, sei mir gnädig!

OTHELLO
Dann verzeiht mir!
Ich nahm Euch für die Dirne von Venedig,
Die den Othello freite.
[Emilia kommt zurück. ]
Und du, Weib,
Die von Sankt Peter just das Gegenteil,
Der Hölle Pforten sperrt,
Emilia kommt zurück.
du, du, ja du!
Wir sind zu Ende; nimm, da ist dein Geld!
Nun schließ die Tür und halte reinen Mund!
Ab.

EMILIA
O Gott! Was hat doch unser Herr im Sinn?
Wie gehts Euch, teure Frau? Wie gehts Euch, Gnädge?

DESDEMONA
Mir ist, als träumt ich.

EMILIA
Sagt, werte Frau, was fehlt dem gnädgen Herrn?

DESDEMONA
Wem?

EMILIA
Meinem gnädigen Herrn.

DESDEMONA
Wer ist dein Herr?

EMILIA
Der auch der Eure, liebste, gnädige Frau.

DESDEMONA
Ich habe keinen. Sag mir nichts, Emilia!
Ich kann nicht weinen, hab auch keine Antwort,
Die nicht zu Wasser würde. Bitt dich, diese Nacht
Leg auf mein Bett mein Brauttuch - denke dran,
Und ruf mir deinen Mann!

EMILIA
Wie hat sichs hier geändert!
Ab.

DESDEMONA
's ist billig, daß es mir so geht, sehr billig!
Wie war ich nur, daß auch sein kleinster Argwohn
Mein mindestes Versehn mißdeuten konnte?
Jago und Emilia treten auf.

JAGO
Was wünscht Ihr, gnädige Frau, wie geht es Euch?

DESDEMONA
Ich weiß es nicht. Wer Kinder unterrichtet,
Gibt ihnen freundlich leichte Arbeit auf;
So konnt er mich ja schmälen, denn fürwahr,
Ich bin ein Kind fürs Schmälen.

JAGO
Was ist denn, gnädge Frau?

EMILIA
Ach Jago! Metze schimpfte sie der Herr.
Wie schändlich und verachtend er sie nannte,
Das trägt kein treues Herz.

DESDEMONA
Jago, bin ich das Wort?

JAGO
Welch Wort, Verehrte?

DESDEMONA
Das, wie sie sagt, mein Herr mir hat gegeben?

EMILIA
Er schalt sie Metze; nein, kein Bettler könnte
Im Rausch solch Wort von seiner Dirne brauchen.

JAGO
Warum denn das?

DESDEMONA
Ich weiß es nicht; gewiß, ich bin es nicht.

JAGO
O weint nicht, weint nur nicht; du liebe Zeit!

EMILIA
Wies sie so manchen edlen Antrag ab,
Verließ den Vater, Freunde, Vaterland,
Daß man sie Metze schimpft? Ists nicht zum Weinen?

DESDEMONA
Das ist mein trauriges Geschick.

JAGO
Weh ihm!
Wie kommt ihm solcher Einfall?

DESDEMONA
Weiß der Himmel!

EMILIA
Nein, hängt mich, wenn ein Erzverleumder nicht,
Irgendein schleichender, geschäftiger Schuft,
Ein glatter Schurk, um sich ein Amt zu fischen,
Die Lügen ausgedacht; ja, darauf sterb ich!

JAGO
Pfui, solchen Menschen gibts nicht; 's ist unmöglich.

DESDEMONA
Und gibt es einen, so vergeb ihm Gott!

EMILIA
Ein Strick vergeb ihm! Nag an ihm die Hölle!
Sie Metze schimpfen! Wer besucht sie je?
Wo? Wann? Und wie? Wo ist auch nur ein Schein?
Ein recht ausbündger Schurk belog den Mohren,
Ein niederträchtger Schurk, ein schäbiger Bube.
O Himmel, möchtst du solch Gezücht entlarven
Und jeder wackren Hand 'ne Geißel geben,
Den Schurken nackt durch alle Welt zu peitschen
Vom Ost zum fernen West!

JAGO
Schrei doch nicht so!

EMILIA
Pfui über ihn! Solch ein Geselle wars,
Der ehmals dir auch den Verstand verwirrte,
Mich mit dem Mohren in Verdacht zu haben!

JAGO
Du bist nicht klug, sei still!

DESDEMONA
O guter Jago!
Was soll ich tun, ihn wieder zu gewinnen?
Geh zu ihm, Freund, denn, bei der Sonne Licht,
Ich weiß nicht, wie ich ihn verlor. - Hier knie ich:
Wenn je mein Herz sich seiner Lieb empört,
In Worten, in Gedanken oder Tat,
Wenn je mein Aug, mein Ohr und sonst ein Sinn
An andrer Wohlgestalt Gefallen fand,
Wenn ich nicht jetzt ihn lieb, ihn stets geliebt,
Ihn immerdar - auch wenn er mich verstieße
Als Bettlerin - von Herzen lieben werde,
Dann, Trost, verlaß mich! - Kaltsinn bringt es weit;
Und rauben kann sein Kaltsinn mir das Leben,
Die Liebe mindern nicht. Ich kann nicht sagen: Metze -
Mir schaudert schon, da ich das Wort gesprochen;
Doch tun, was die Beschimpfung nach sich zieht -
Nicht um die ganze Eitelkeit der Welt!

JAGO
Ich bitte, faßt Euch, 's ist nur seine Laune.
Die Staatsgeschäfte machten ihm Verdruß;
Da zankt er nun mit Euch.

DESDEMONA
Wär es nur das -

JAGO
Glaubt mir, es ist nichts anders! -
Man hört Trompeten.
Horcht, die Trompete ruft zur Abendtafel,
Und die Gesandtschaft von Venedig wartet;
Geht hin und weint nicht, alles wird noch gut.
Desdemona und Emilia ab. Rodrigo tritt auf.
Was gibts, Rodrigo?

RODRIGO
Ich finde nicht, daß du es redlich mit mir meinst.

JAGO
Und was im Gegenteil?

RODRIGO
Jeden Tag fertigst du mich mit einer Ausrede ab, Jago, und hältst mich vielmehr, wie mirs vorkommt, von aller guten Gelegenheit fern, als daß du meiner Hoffnung den geringsten Vorteil verschaffst. Ich ertrage das wahrhaftig nicht länger, und du sollst mich nicht dazu bringen, ruhig einzustecken, was ich bisher, wie ein Tor, mir habe gefallen lassen.

JAGO
Wollt Ihr mich anhören, Rodrigo?

RODRIGO
Auf Ehre, ich habe schon zuviel gehört, denn Euer Versprechen und Tun halten nicht gleichen Schritt miteinander.

JAGO
Ihr beschuldigt mich höchst ungerecht!

RODRIGO
's ist lauter Wahrheit. Ich habe mein ganzes Vermögen zugesetzt. Die Juwelen, die Ihr von mir empfingt, um sie Desdemona einzuhändigen - die Hälfte hätte eine Nonne verführt. Ihr sagtet mir, sie habe sie angenommen, und gabt mir Hoffnung und Aussicht auf baldige Gunst und Erwiderung, aber dabei bleibts.

JAGO
Gut, nur weiter, recht gut!

RODRIGO
Recht gut, weiter! Ich kann nicht weiter, Mann, und hier ist nichts recht gut. Bei dieser Hand, ich sage, es ist spitzbübisch; und ich fange an zu merken, daß man mich foppt.

JAGO
Recht gut!

RODRIGO
Ich sage dir, es ist nicht recht gut. Ich will mich Desdemona selbst entdecken: gibt sie mir meine Juwelen wieder zurück, so laß ich ab von meiner Bewerbung und bereue mein unerlaubtes Zumuten, wo nicht, seid gewiß, daß ich Genugtuung von Euch fordern werde.

JAGO
Habt Ihr jetzt gesprochen?

RODRIGO
Ja, und habe nichts gesprochen, als was ich ernstlich zu tun gesonnen bin.

JAGO
Schön! Nun sehe ich doch, daß du Haare auf den Zähnen hast, und seit diesem Moment fasse ich eine beßre Meinung von dir als je zuvor. Gib mir deine Hand, Rodrigo; du hast sehr gegründete Einwendungen gegen mich vorgebracht, und dennoch, schwöre ich dir, bin ich in deiner Sache sehr grade zu Werke gegangen.

RODRIGO
Das hat sich wenig gezeigt.

JAGO
Ich gebe zu, daß sichs nicht gezeigt hat, und dein Argwohn ist nicht ohne Verstand und Scharfsinn. Aber, Rodrigo, wenn das wirklich in dir steckt, was ich dir jetzt mehr zutraue als je - ich meine Willenskraft, Mut und Herz -, so zeig es diese Nacht! Wenn du in der nächsten Nacht nicht zu Desdemonas Besitz gelangst, so schaff mich hinterlistig aus der Welt und stelle meinem Leben Fallstricke.

RODRIGO
Gut, was ists? Liegts im Gebiet der Vernunft und der Möglichkeit?

JAGO
Freund, es ist ein ausdrücklicher Befehl von Venedig da, daß Cassio in Othellos Stelle treten soll.

RODRIGO
Ist das wahr? Nun, so gehen Othello und Desdemona nach Venedig zurück.

JAGO
O nein, er geht ins Mohrenland und nimmt die schöne Desdemona mit sich, wenn nicht sein Aufenthalt hier durch einen Zufall verlängert wird, und darin kann nichts so entscheidend sein, als wenn Cassio beiseite geschafft wird.

RODRIGO
Wie meinst du das - ihn beiseite schaffen?

JAGO
Nun, ihn für Othellos Amt untauglich machen, ihm das Gehirn ausschlagen.

RODRIGO
Und das, meinst du, soll ich tun?

JAGO
Ja, wenn du das Herz hast, dir Vorteil und Recht zu verschaffen. Er ist heute zum Abendessen bei einer Dirne, und dort will ich ihn treffen; noch weiß er nichts von seiner ehrenvollen Beförderung. Wenn du nun auf sein Weggehn lauern willst - und ich werde es einrichten, daß dies zwischen zwölf und eins geschieht -, so kannst du nach Belieben über ihn herfallen; ich will in der Nähe sein, um deinen Angriff zu unterstützen, und er soll zwischen uns beiden fallen. Komm, steh nicht so verwundert, sondern folge mir; ich will dich so von der Notwendigkeit seines Todes überzeugen, daß du's für Pflicht halten sollst, ihn aus der Welt zu schaffen. Es ist hohe Zeit zum Abendessen, und die Nacht geht hin. Frisch daran!

RODRIGO
Ich muß noch mehr Gründe hören.

JAGO
Das sollst du zur Genüge.
Sie gehen ab.




3. Szene

Zypern. Ein anderes Zimmer [Vorsaal ] im Schlosse


Othello, Lodovico, Desdemona, Emilia und Gefolge treten auf.

LODOVICO
Ich bitt Euch, Herr, bemüht Euch nun nicht weiter!

OTHELLO
O nein, erlaubt, das Ausgehn tut mir wohl.

LODOVICO
Schlaft, Gnädige, wohl! Ich sag Euch meinen Dank.

DESDEMONA
Ihr wart uns sehr willkommen, Herr!

OTHELLO
Wollen wir gehn, Signor? - O Desdemona!

DESDEMONA
Mein Gemahl?

OTHELLO
Geh sogleich zu Bett, ich werde augenblicklich wieder da sein. Entlaß deine Gesellschafterin; tu, wie ich dir sage!

DESDEMONA
Das werd ich, mein Gemahl.
Othello, Lodovico und Gefolge ab.

EMILIA
Wie gehts nun? Er scheint milder als zuvor.

DESDEMONA
Er sagt, er werde hier sein ungesäumt;
Er gab mir den Befehl, zu Bett zu gehen,
Und hieß mir, dich entlassen.

EMILIA
Mich entlassen?

DESDEMONA
Er will es so; darum, Emilia, gute,
Gib mir mein Nachtgewand und lebe wohl!
Wir dürfen jetzt ihn nicht erzürnen.

EMILIA
Hättet Ihr ihn doch nie gesehn!

DESDEMONA
Das wollt ich nicht; mein Herz hängt so an ihm,
Daß selbst sein Zorn, sein Trotz, sein Eigensinn -
Komm, steck mich los - mir lieb und reizend dünkt.

EMILIA
Die Tücher legt ich auf, wie Ihrs befahlt.

DESDEMONA
's ist alles eins. - Ach, was wir töricht sind! -
Sterb ich vor dir, so bitt dich, hülle mich
In eins von diesen Tüchern!

EMILIA
Geht, Ihr schwatzt!

DESDEMONA
Meine Mutter hatt ein Mädchen - Bärbel hieß sie -,
Die war verliebt, und treulos ward ihr Schatz
Und lief davon. Sie hatt ein Lied von Weide,
Ein altes Ding, doch paßt es für ihr Leid;
Sie starb, indem sie's sang. Das Lied heut nacht
Kommt mir nicht aus dem Sinn; ich hab zu schaffen,
Daß ich nicht auch den Kopf so häng und singe
Wie's arme Bärbel. - Bitt dich, mach geschwind!

EMILIA
Soll ich Eur Nachtkleid holen?

DESDEMONA
Nein, steck mich hier nur los. -
Der Lodovico ist ein feiner Mann.

EMILIA
Ein recht hübscher Mann.

DESDEMONA
Er spricht gut.

EMILIA
Ich weiß eine Dame in Venedig, die wäre barfuß nach Palästina gegangen um einen Druck von seiner Unterlippe.

DESDEMONA
singt.
Das Mägdlein saß singend am Feigenbaum früh,
Singt Weide, grüne Weide!
Die Hand auf dem Busen, das Haupt auf dem Knie,
Singt Weide, Weide, Weide!
Das Bächlein, es murmelt und stimmet mit ein;
Singt Weide, grüne Weide!
Heiß rollt ihr die Trän und erweicht das Gestein;
Leg dies beiseite!
Singt.
Singt Weide, Weide, Weide!
Bitt dich, mach schnell, er kommt gleich!
Singt.
Von Weiden all flecht ich mir nun den Kranz.
O scheltet ihn nicht, sein Zorn ist mir recht -
Nein, das kommt später. - Horch, wer klopft da?

EMILIA
Es ist der Wind.

DESDEMONA
singt.
Ich nannt ihn: du Falscher! Was sagt' er dazu?
Singt Weide, grüne Weide!
Seh ich nach den Mädeln, nach den Buben siehst du.
So geh nun fort; gute Nacht! Mein Auge juckt,
Bedeutet das wohl Tränen?

EMILIA
Ei, mitnichten!

DESDEMONA
Ich hört es so. - Die Männer, o die Männer! -
Glaubst du, auf dein Gewissen sprich, Emilia,
Daß wirklich Weiber sind, die ihre Männer
So gröblich täuschen?

EMILIA
Solche gibts, kein Zweifel.

DESDEMONA
Tätst du dergleichen um die ganze Welt?

EMILIA
Nun, tätet Ihrs nicht?

DESDEMONA
Nein, beim Licht des Himmels!

EMILIA
Ich tät es auch nicht bei des Himmels Licht,
Ich könnt es ja im Dunkeln.

DESDEMONA
Tätst du dergleichen um die ganze Welt?

EMILIA
Die Welt ist mächtig weit; der Lohn wär groß,
Klein der Verstoß.

DESDEMONA
Gewiß, du tätst es nicht!

EMILIA
Gewiß, ich täte es und machte es wieder ungetan, wenn ichs getan hätte. Nun freilich täte ich so etwas nicht für einen Fingerring noch für einige Ellen Batist noch für Mäntel, Röcke und Hauben oder solchen armseligen Kram; aber für die ganze Welt - ei, wer hätte da nicht Lust, dem Manne Hörner aufzusetzen und ihn zum Weltkaiser zu machen? Dafür wagte ich das Fegefeuer!

DESDEMONA
Ich will des Todes sein, tät ich solch Unrecht
Auch um die ganze Welt!

EMILIA
Ei nun, das Unrecht ist doch nur ein Unrecht in der Welt, und wenn Euch die Welt für Eure Mühe zuteil wird, so ists ein Unrecht in Eurer eignen Welt. Ihr könnt es geschwind zu Recht machen.

DESDEMONA
Ich glaube doch, es gibt kein solches Weib.

EMILIA
Ei, zehn für eins und noch soviel in Kauf,
Die Welt, um die sie spielten, gleich zu füllen.
Allein mich dünkt, es ist der Männer Schuld,
Daß Weiber fallen. Wenn sie pflichtvergessen
In fremdem Schoß vergeuden unsern Schatz,
Wenn sie, verkehrt in launischer Eifersucht,
Ans Haus uns fesseln, wenn sie gar uns schlagen,
Wenn sie in Leichtsinn unser Gut vertun,
Dann schwillt auch uns die Galle; wir sind fromm,
Doch nicht von Rachsucht frei. Sie sollens wissen,
Wir haben Sinne auch, wir sehn und riechen
Und haben einen Gaum für süß und herbe
Wie unsre Männer. Was bezwecken sie,
Wenn sie uns andre vorziehn? Ist es Lust?
Ich denke, ja. Treibt sie die Leidenschaft?
Ich denke, ja. Ists Schwachheit, die so irrt?
Gewiß. Und haben wir nicht Leidenschaft?
Nicht Hang zur Lust? Und Schwachheit gleich den Männern?
Drum, wenn der Mann sich treulos von uns kehrte,
Wars seine Bosheit, die uns Böses lehrte.

DESDEMONA
Gute Nacht! - Und laß mich, Herr, in fremden Sünden
Nicht eigne Sünde, laß mich Beßrung finden!
Sie gehn ab.



 
 
 
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