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-> Eckdaten zu William Shakespeares Leben
 


William Shakespeare,
"Othello"

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->Tod der Desdemona, Eugène Delacroix

Erster Aufzug

1. Szene


Es treten auf Rodrigo und Jago.

RODRIGO
Still, sag nichts mehr; denn damit kränkst du mich,
Daß Jago, du, der meine Börse führte,
Als wär sie dein, die Sache schon gewußt.

JAGO
Verdammt, Ihr hört ja nicht!
Hab ich mir je davon was träumen lassen,
Verabscheut mich!

RODRIGO
Du hast mir stets gesagt, du hassest ihn!

JAGO
Verachte mich, wenns nicht so ist!
Drei Mächtige aus dieser Stadt, persönlich
Bemüht zu seinem Leutnant mich zu machen,
Hofierten ihm, und auf Soldatenwort,
Ich kenne meinen Preis: das kommt mir zu.
Doch er, verliebt in seinen Stolz und Dünkel,
Weicht ihnen aus, mit Schwulst, weit hergeholt,
Den er staffiert mit grausen Kriegssentenzen,
Und kurz und gut,
Schlägts meinen Gönner ab: denn »Wirklich«, spricht er,
»Gewählt schon hab ich meinen Offizier.«
Und wer ist das?
Seht mir: ein großer Arithmetiker,
Ein Michael Cassio, ein Florentiner,
Ein Bursch, verdammt fast in ein schmuckes Weib,
Der niemals eine Schar ins Feld geführt,
Noch von der Heeresordnung mehr versteht
Als Jüngferchen; nur Büchertheorie,
Von der in seiner Toga wohl ein Ratsherr
So weislich spricht als er; all seine Kriegskunst
Geschwätz, nicht Praxis - der nun wird erwählt!
Und ich, von dem sein Auge Proben sah
Zu Rhodus, Zypern und auf anderm Boden,
Christlich und heidnisch, komm um Wind und Flut
Durch solchen Rechenknecht, solch Einmaleins.
Der, wohl bekomms ihm, muß sein Leutnant sein,
Und, helt mir Gott, ich seiner Mohrschaft Fähnrich!

RODRIGO
Bei Gott, sein Henker würd ich lieber sein!

JAGO
Da hilft nichts für; das ist der Fluch des Dienstes.
Befördrung geht nach Gunst und nach Empfehlung,
Und nicht nach altem Brauch, wo jeder zweite
Den Platz des Vormanns erbt. Urteilt nun selbst,
Ob mich wohl irgend Recht und Dank verpflichtet
Den Mohrn zu lieben.

RODRIGO
So auch dient ich ihm nicht.

JAGO
Oh, seid ganz ruhig;
Ich dien ihm, um mirs einzubringen; denn
Es kann nicht jeder Herr sein, jeder Herr
Nicht treue Diener haben. Seht Ihr doch
So manchen pflichtgetreuen Knieebeuger,
Der, ganz verliebt in seine Sklavenfessel,
Ausharrt, recht wie die Esel seines Herrn,
Ums Heu, und wird im Alter fortgejagt.
Peitscht mir solch redlich Volk! Dann gibt es andre,
Die, ausstaffiert mit Blick und Form der Demut,
Ein Herz bewahren, das nur sich bedenkt,
Die nur Scheindienste liefern ihren Obern,
Durch sie gedeihn und, wann ihr Pelz gefüttert,
Sich selbst Gebieter sind. Die Burschen haben Witz,
Und dieser Zunft zu folgen ist mein Stolz.
Denn, Herr,
's ist so gewiß, als Ihr Rodrigo heißt,
Wär ich der Mohr, nicht möcht ich Jago sein.
Wenn ich ihm diene, dien ich nur mir selbst,
- Der Himmel weiß es -, nicht aus Lieb und Pflicht,
Nein, nur zum Schein für meinen eignen Zweck.
Denn wenn mein äußres Tun je offenbart
Des Herzens angeborne Art und Neigung
In Haltung und Gebärde, dann alsbald
Will ich mein Herz an meinem Ärmel tragen
Als Fraß für Krähn. Ich bin nicht, was ich bin! -

RODRIGO
Groß Glück fällt diesem Dickgelippten zu,
Wenns ihm gelingt!

JAGO
Ruft ihren Vater auf!
Hetzt den ihm nach! Vergiftet seine Lust,
Schreits durch die Stadt, macht ihre Vettern wild,
Und ob er unter mildem Himmel wohnt,
Plagt ihn mit Fliegen; ist die Freud ihm Freude,
Versetzt sie dennoch ihm mit so viel Pein,
Daß sie etwas erbleiche!

RODRIGO
Hier ist des Vaters Haus; ich ruf ihn laut.

JAGO
Das tut, mit gleichem Angstruf und Geheul,
Als wenn bei Nacht und Lässigkeit ein Feuer
Erspäht wird in volkreichen Städten.

RODRIGO
Hallo, Brabantio! Signor Brabantio, ho!

JAGO
Erwacht; hallo! Brabantio! Diebe, Diebe!
Nehmt Euer Haus in acht, Eur Kind, Eur Geld!
He, Diebe, Diebe!
Brabantio oben am Fenster.

BRABANTIO
Was ist die Ursach dieses wilden Lärms?
Was gibt es hier?

RODRIGO
Ist alles, was Euch angehört, im Hause?

JAGO
Die Türen zu?

BRABANTIO
Nun, warum fragt Ihr das?

JAGO
Ihr seid beraubt, zum Teufel! Nehmt den Mantel!
Eur Herz zerbrach, halb Eure Seel ist hin.
Jetzt, eben jetzt bespringt ein alter schwarzer
Schafbock Eur weißes Lämmchen. Auf, heraus!
Weckt die schlaftrunknen Bürger mit der Glocke,
Sonst macht der Teufel Euch zum Großpapa.
Auf, sag ich, auf!

BRABANTIO
Was! Seid Ihr bei Verstand?

RODRIGO
Ehrwürdger Herr, kennt Ihr mich an der Stimme?

BRABANTIO
Nein! Wer seid Ihr?

RODRIGO
Rodrigo heiß ich.

BRABANTIO
Mir um so verhaßter!
Befohlen hab ich dir, mein Haus zu meiden,
Ganz unverhohlen hörtest du mich sagen,
Mein Kind sei nicht für dich; und nun, wie rasend,
Vom Mahle voll und scharfem Trunk erregt,
In böswilligem Übermute kommst du,
Mich in der Ruh zu stören?

RODRIGO
Herr, Herr, Herr!

BRABANTIO
Doch, wissen sollst du dies:
Durch meine Kraft und Stellung hab ich Macht,
Dirs zu vergällen.

RODRIGO
Ruhig, werter Herr!

BRABANTIO
Was sprichst du mir von Raub? Dies ist Venedig,
Mein Haus ist keine Scheune.

RODRIGO
Würdiger Herr,
In arglos reiner Absicht komm ich her.

JAGO
Wetter, Herr, Ihr seid einer von denen, die Gott nicht dienen wollen, wenns ihnen der Teufel befiehlt. Weil wir kommen, Euch einen Dienst zu tun, denkt Ihr, wir sind Raufbolde? Ihr wollt einen Berberhengst über Eure Tochter kommen lassen; Ihr wollt Enkel, die Euch anwiehern, wollt Rennpferde zu Vettern und Zelter zu Neffen haben?

BRABANTIO
Wer bist du, frecher Lästerer?

JAGO
Ich bin einer, Herr, der Euch zu melden kommt, daß Eure Tochter und der Mohr jetzt dabei sind, das Tier mit zwei Rücken zu machen.

BRABANTIO
Du bist ein Schurke!

JAGO
Ihr seid - ein Senator.

BRABANTIO
Du sollst dies büßen; ich kenne dich, Rodrigo.

RODRIGO
Ich will für alles einstehn, doch ich bitt Euch,
Ists Euer Wunsch und wohlbedächtige Weisheit,
- Wie's fast mir scheint -, daß Eure schöne Tochter
In dieser späten Stunde dumpfer Nacht
Wird ausgeliefert - besser nicht noch schlechter
Bewacht, als durch 'nen feilen Gondolier -
Den rohen Küssen eines lüsternen Mohren?
Wenn Ihr das wißt und einverstanden seid,
So taten wir Euch groben, frechen Schimpf.
Doch wißt Ihrs nicht, dann sagt mir Sitt und Anstand,
Ihr scheltet uns mit Unrecht. Nimmer glaubt,
Daß, allem Sinn für Höflichkeit entfremdet,
Ich so zum Scherz mit Eurer Würde spielte.
Eur Kind, wenn Ihr ihm nicht Erlaubnis gabt,
Ich sags noch einmal, hat sich schwer vergangen,
So Schönheit, Geist, Vermögen auszuliefern
Dem heimatlos unsteten Abenteurer
Von hier und überall. Gleich überzeugt Euch, Herr;
Ist sie im Schlaf gemach, ja nur zu Hause,
Laßt auf mich los der Republik Gesetze,
Weil ich Euch so betrog.

BRABANTIO
Schlagt Feuer, ho!
Gebt mir 'ne Kerze! Weckt alle meine Leute! -
Der Vorfall ist nicht ungleich meinem Traum;
Der Glaube dran droht schon mich zu vernichten.
Licht, sag ich. Licht! -
Geht ab.

JAGO
Lebt wohl! Ich muß Euch lassen.
Es scheint nicht gut noch heilsam meiner Stelle,
Stellt man als Zeugen mich - bleib ich, geschiehts -
Dem Mohren vor, denn unser Staat, ich weiß es,
Wenn ihn dies gleich etwas verdunkeln wird,
Kann ihn nicht fallen lassen, fordert doch
So triftiger Grund ihn für den Zypernkrieg,
Der jetzt bevorsteht, daß um keinen Preis
Ein andrer von der Fähigkeit sich fände
Als Führer dieses Zugs. In dieser Rücksicht,
Obgleich ich ihn wie Höllenqualen hasse,
Weil mich die gegenwärtge Lage zwingt,
Muß ich aufziehn der Liebe Flagg und Zeichen,
Freilich als Zeichen nur. Daß Ihr ihn sicher findet,
Führt jene Suchenden zum Schützen hin;
Dort werd ich bei ihm sein. Und so lebt wohl.
Jago geht ab. Brabantio tritt auf mit Dienern und Fackeln.

BRABANTIO
Zu wahr nur ist dies Unglück! Sie ist fort,
Und was mir nachbleibt vom verhaßten Leben,
Ist nichts als Bitterkeit. - Nun sag, Rodrigo,
Wo hast du sie gesehn? - O töricht Kind! -
Der Mohr, sagst du? Wer möchte Vater sein!
Wie weißt du, das sie's war? - O unerhört
Betrogst du mich! - Was sprach sie? - Holt noch Fackeln!
Ruft alle meine Vettern! Sind sie wohl
Vermählt, was glaubst du?

RODRIGO
Nun, ich glaube, ja.

BRABANTIO
O Gott! Wie kam sie fort? O Blutsverrat!
Väter, hinfort traut euern Töchtern nie
Nach äußerlichem Tun! Gibts einen Zauber,
Der Jugend Unschuld und des Mädchentums
Zu hintergehn? Last Ihr von solchen Dingen,
Rodrigo?

RODRIGO
Ja, Signor, ich las es wohl.

BRABANTIO
Ruft meinen Bruder! - Wär sie Euer doch! -
Geht Ihr den Weg, Ihr diesen! - Habt Ihr Kundschaft,
Wo wir sie finden mögen mit dem Mohren?

RODRIGO
Ich hoff ihn auszuspähn, wenns Euch gefällt,
Mit tüchtiger Bedeckung mir zu folgen.

BRABANTIO
Wohl, führt den Zug! Vor jedem Hause ruf ich;
Wenns gilt, kann ich befehlen. - Waffen her!
Und holt ein paar Hauptleute von der Wache!
Voran, Rodrigo! Eure Müh vergelt ich.

Sie gehen ab.

2. Szene

Venedig. Eine andre Straße


Es treten auf Othello, Jago und Gefolge mit Fackeln.

JAGO
Im Kriegeshandwerk schlug ich manchen tot;
Doch halt ichs für Gewissenssach und Sünde,
Mit Absicht morden; ja mir fehlts an Bosheit,
Und oft zu meinem Schaden. Zwanzigmal
Dacht ich, ihm mit 'nem Rippenstoß zu dienen!

OTHELLO
's ist besser so.

JAGO
Doch schwatzt' er solches Zeug,
Und sprach so schnöd und gegen Eure Ehre
So lästerlich,
Daß all mein bißchen Frömmigkeit mich kaum
Im Zügel hielt. Doch sagt mir, werter Herr,
Seid Ihr auch recht vermählt? Denn glaubt mir nur,
Gar sehr beliebt ist der Magnifico,
Und hat, was durchzusetzen, kräftige Stimme,
Vollwichtig wie der Fürst. Er wird Euch scheiden;
Zum mindsten häuft er Hemmung und Verdruß,
Wie nur das Recht, durch seine Macht geschärft,
Ihm Spielraum gibt.

OTHELLO
Er mag sein Ärgstes tun;
Der Dienst, den ich geleistet dem Senat,
Schreit seine Klage nieder. Kund soll werden
- Was, wenn mir kund, daß Prahlen Ehre bringt,
Ich offenbaren will -, daß ich entsproß
Aus königlichem Stamm, und mein Gestirn
Darf ohne Scheu so stolzes Glück ansprechen,
Als dies, das ich erreicht. Denn wisse, Jago,
Liebt ich die holde Desdemona nicht,
Nie zwäng ich meinen sorglos freien Stand
In Band und Schranken ein, nicht um die Schätze
Der tiefen See. Doch sieh! Was dort für Lichter?
[Cassio kommt mit Amtsdienern. ]

JAGO
Der zornige Vater ist es mit den Freunden;
Geht doch hinein!

OTHELLO
Ich nicht, man soll mich finden.
Mein Stand und Rang und meine feste Seele,
Laut solln sie für mich zeugen! Sind sie es?

JAGO
Beim Janus, nein!
Cassio und einige Amtsdiener mit Fackeln kommen.

OTHELLO
Des Herzogs Diener sind es und mein Leutnant. -
Sei Euch die Nacht gedeihlich, meine Freunde!
Was gibts?

CASSIO
Der Herzog grüßt Euch, General,
Und fordert, daß Ihr schnell, blitzschnell erscheint
Im Augenblick.

OTHELLO
Was, meint Ihr, ist im Werk?

CASSIO
Etwas aus Zypern, wenn ich recht vermute;
's ist ein Geschäft von heißer Eil; die Flotte
Verschickt' ein Dutzend Boten nacheinander
Noch diesen Abend, die gedrängt sich folgten.
Viel Herrn vom Rat, geweckt und schon versammelt,
Sind jetzt beim Herzog; eifrig sucht man Euch,
Und da man Euch verfehlt in Eurer Wohnung,
Hat der Senat drei Haufen ausgesandt,
Euch zu erspähn.

OTHELLO
's ist gut, daß Ihr mich fandet.
Ein Wort nur laß ich hier zurück im Hause
Und folg Euch nach.
Geht ab.

CASSIO
Fähnrich, was schafft er hier?

JAGO
Nun, eine Landgaleere nahm er heut;
Er macht sein Glück, wenns gute Prise wird.

CASSIO
Wie meint Ihr das?

JAGO
Er ist vermählt.

CASSIO
Mit wem?
Othello kommt zurück.

JAGO
Ei nun, mit - Kommt Ihr, General?

OTHELLO
Ich komme.

CASSIO
Hier naht ein andrer Trupp, Euch aufzusuchen.
[Brabantio, Rodrigo und Bewaffnete treten auf. ]

JAGO
Es ist Brabantio! General, nehmt Euch
In acht, er sinnt auf Böses!
Brabantio, Rodrigo und Amtsdiener mit Fackeln und Waffen treten auf.

OTHELLO
Holla! Steht!

RODRIGO
Signor, es ist der Mohr!

BRABANTIO
Dieb! Schlagt ihn nieder!
Von beiden Seiten werden die Schwerter gezogen.

JAGO
Rodrigo, Ihr? Kommt, Herr, ich bin für Euch.

OTHELLO
Die Schwerter fort, sie rosten sonst im Tau. -
Das Alter hilft Euch besser, guter Herr,
Als Euer Degen.

BRABANTIO
O schnöder Dieb! Was ward aus meiner Tochter?
Du hast, verdammter Frevler, sie bezaubert;
Denn alles, was Vernunft hegt, will ich fragen,
Wenn nicht ein magisch Band sie hält gefangen,
Ob eine Jungfrau, zart und schön und glücklich,
So abhold der Vermählung, daß sie floh
Den reichen Jünglingsadel unsrer Stadt,
Ob sie, ein allgemein Gespött zu werden,
Häuslichem Glück entfloh an solches Unholds
Pechschwarze Brust, die Graun, nicht Lust erregt?
Die Welt soll richten, obs nicht sonnenklar,
Daß du mit Höllenkunst auf sie gewirkt,
Mit Gift und Trank verlockt ihr zartes Alter,
Den Willen ihr gelähmt. Man soll es prüfen,
Denn glaubhaft ists, handgreiflich dem Gedanken.
Drum nehm ich dich in Haft und klag dich an
Als einen Volksbetörer, einen Zaubrer,
Der unerlaubte, böse Künste treibt. -
Legt Hand an ihn, und setzt er sich zur Wehr,
Zwingt ihn, und gälts sein Leben!

OTHELLO
Steht zurück,
Ihr, die für mich Partei nehmt, und ihr andern!
Wär Fechten meine Rolle, nun, die wüßt ich
Auch ohne Stichwort. - Wohin soll ich folgen,
Und Eurer Klage stehn?

BRABANTIO
In Haft; bis Zeit und Form
Im Lauf des graden Rechtsverhörs dich ruft
Zur Antwort.

OTHELLO
Wie denn nun, wenn ich gehorchte? -
Wie käme das dem Herzog wohl erwünscht,
Des Boten hier an meiner Seite stehn,
Mich wegen dringenden Geschäfts im Staat
Vor ihn zu führn?

ERSTER AMTSDIENER
So ists, ehrwürdger Herr;
Der Herzog sitzt zu Rat, und Euer Gnaden
Ward sicher auch bestellt.

BRABANTIO
Im Rat der Herzog?
Jetzt um die Mitternacht? - Führt ihn dahin!
Nicht schlecht ist mein Gesuch. Der Herzog selbst
Und jeglicher von meinen Amtsgenossen
Muß fühlen meine Kränkung wie sein eigen;
Denn läßt man solche Untat straflos schalten,
Wird Heid und Sklav bei uns als Herrscher walten.
Sie gehen ab.


3. Szene

[Saal im herzoglichen Palast ] Venedig. Eine Ratskammer


Der Herzog und die Senatoren an einer Tafel sitzend. Beamte im Gefolge.

HERZOG
In diesen Briefen fehlt Zusammenhang,
Der sie glaubwürdig machte.

ERSTER SENATOR
Jawohl, sie weichen voneinander ab;
Mein Schreiben nennt mir hundertsechs Galeeren.

HERZOG
Und meines hundertvierzig.

ZWEITER SENATOR
Meins zweihundert.
Doch stimmt die Zahl auch nicht genau zusammen,
Wie insgemein, wenn sich Gerüchte melden,
Der Inhalt abweicht, doch erwähnen alle
Die türkische Flotte, die gen Zypern segelt.

HERZOG
Gewiß, erwägen wirs, so scheint es glaublich;
Ich will mich nicht im Irrtum sicher schätzen,
Vielmehr den Hauptartikel halt ich wahr,
Und Sorge faßt mich.

MATROSE
draußen.
Ho, hallo, hallo!
[Ein Beamter tritt auf, dem ein Matrose folgt. ]

ERSTER BEAMTER
Botschaft von den Galeeren!
Ein Matrose tritt auf.

HERZOG
Nun? Was gibts?

ERSTER MATROSE
Der Türken Kriegsbewegung geht auf Rhodus;
So ward mir Auftrag, dem Senat zu melden,
Vom Signor Angelo.

HERZOG
Wie dünkt der Wechsel Euch? -

ERSTER SENATOR
So kanns nicht sein,
Nach keinem Grund und Fug; es ist 'ne Finte,
Den Blick uns fehl zu leiten. Denken wir,
Wie wichtig Zypern für den Türken sei,
Und wiederum gestehn wir selber ein,
Daß, wie's dem Türken mehr verlohnt als Rhodus,
Er auch mit leichterm Aufwand sichs erobert,
Dieweil es nicht so kriegsgerüstet steht
Und aller Wehr und Festigkeit entbehrt,
Mit der sich Rhodus schirmt - wer dies erwägt,
Der wird den Türken nicht so töricht achten,
Das Nächstgelegne bis zuletzt zu sparen
Und, leichten Vorteil und Gewinn versäumend,
Nutzlos Gefahr zum Kampfe sich zu wecken.

HERZOG
Ja, seid gewiß, er denkt an Rhodus nicht.

ERSTER BEAMTER
Seht! Neue Botschaft! -
Ein Bote tritt auf.

BOTE
Die Ottomanen, weise, gnädige Herrn,
In gradem Lauf zur Insel Rhodus steuernd,
Vereinten dort sich mit der Nebenflotte.

ERSTER SENATOR
Nun ja, so dacht ich mirs. Wie stark an Zahl?

BOTE
An dreißig Segel; und jetzt wenden sie
Rücklenkend ihren Lauf, und ohne Hehl
Gilt ihre Absicht Zypern. Herr Montano,
Eur sehr getreuer und beherzter Diener,
Entbietet Euch, mit seiner Pflicht, die Nachricht
Und hofft, Ihr schenkt ihm Glauben.

HERZOG
Nach Zypern dann gewiß. -
Marcus Lucchese, ist er in Venedig?

ERSTER SENATOR
Er reiste nach Florenz.

HERZOG
Schreibt ihm von uns; schnell, windschnell komm er, eilt!

ERSTER SENATOR
Hier kommt Brabantio und der tapfre Mohr.
Brabantio, Othello, Jago, Rodrigo und Gerichtsdiener treten auf.

HERZOG
Tapfrer Othello, Ihr müßt gleich ins Feld
Wider den allgemeinen Feind, den Türken. -
Zu Brabantio.
Ich sah Euch nicht; willkommen, edler Herr!
Uns fehlt' Eur Rat und Beistand diese Nacht.

BRABANTIO
Und Eurer mir, mein gütger Fürst, verzeiht mir!
Nicht Amtsberuf noch Nachricht von Geschäften
Trieb mich vom Bett, nicht allgemeine Sorge
Erfüllt mich jetzt, denn mein besondrer Gram
Gleich einer Springflut strömt so wild dahin,
Daß er verschluckt und einschlingt jede Sorge,
Nur seiner sich bewußt.

HERZOG
Nun, was geschah?

BRABANTIO
O Tochter, Tochter!

ERSTER SENATOR
Starb sie?

BRABANTIO
Ja, für mich.
Sie ist beschimpft, entführt mir und verderbt
Durch Hexenkünste und Quacksalbertränke!
Denn daß Natur so widersinnig irre,
Da sie nicht stumpf noch blind, noch blöden Sinns,
Geschah nicht ohne Zauberkraft. -

HERZOG
Wer es auch sei, der auf so schnödem Wege
So Eure Tochter um sich selbst betrog,
Und Euch um sie, das blutige Buch des Rechts,
Ihr sollt es selbst in herbster Strenge deuten,
Nach eignem Sinn, und wär es Unser Sohn,
Den Eure Klage trifft.

BRABANTIO
Ich dank in Demut!
Hier dieser ists, der Mohr, den jetzt, so scheints,
Eur dringendes Gebot im Dienst des Staats
Hieher berief.

[ALLE ] HERZOG und SENATOREN
Das tut uns herzlich leid.

HERZOG
zu Othello.
Was, Eurerseits, vermögt Ihr zu erwidern?

BRABANTIO
Nichts, als daß dies die Wahrheit.

OTHELLO
Ehrwürdiger, mächtiger und erlauchter Rat,
Sehr edle, wohlerprobte, gute Herrn!
Daß ich dem alten Mann die Tochter nahm,
Ist völlig wahr; wahr, sie ist mir vermählt.
Der Tatbestand und Umfang meiner Schuld
Reicht so weit, weiter nicht. Ich bin von rauhem Wort
Und schlecht begabt mit milder Friedensrede.
Seit siebenjährige Kraft mein Arm gewann,
Bis vor neun Monden etwa, übt er stets
Nur Kriegestat im Felde wie im Lager,
Und wenig lernt ich von dem Lauf der Welt,
Als was zum Streit gehört und Werk der Schlacht;
Drum wenig Schmuck wohl leih ich meiner Sache,
Red ich für mich. Dennoch, mit Eurer Gunst,
Erzähl ich schlicht und ungefärbt den Hergang
Von meiner Liebe: was für Tränk und Künste,
Was für Beschwörung, welches Zaubers Kraft
- Denn solcher Mittel steh ich angeklagt -
Die Jungfrau mir gewann.

BRABANTIO
Ein Mädchen, schüchtern,
Von Geist so still und sanft, daß jede Regung
Errötend schwieg, die sollte, trotz Natur
Und Jugend, Vaterland und Stand und allem,
Das lieben, was ihr Grauen schuf zu sehn?
Ein krankes Urteil wärs, ein unvollkommnes,
Das wähnt, es irre so Vollkommenheit,
Ganz der Natur entgegen: schwören muß man,
Daß nur des Teufels Kunst und List dies alles
Zu tun vermocht. Noch einmal denn behaupt ich,
Daß er mit Tränken, ihrem Blut verderblich,
Und Zaubersaft, geweiht zu solchem Bann,
Auf sie gewirkt.

HERZOG
Behauptung, nicht Beweis!
Steht Euch kein klarer Zeugnis zu Gebot,
Als solch unhaltbar Meinen, solch armselger
Scheingrund ihn zu beschuldigen vermag?

ERSTER SENATOR
Doch sagt, Othello:
Habt Ihr durch Nebenweg und künstlich zwingend
Der Jungfrau Sinn erobert und vergiftet?
Oder durch Antrag und erlaubtes Werben,
Wie Herz an Herz sich wendet?

OTHELLO
Ich ersuch Euch,
Zum »Schützen« sendet, ruft das Fräulein her,
Und vor dem Vater mag sie von mir zeugen.
Und werd ich falsch erfunden durch ihr Wort:
Nicht nur Vertraun und Amt, das Ihr mir gabt,
Mögt Ihr mir nehmen, ja es treff Eur Spruch
Mein Leben selbst.

HERZOG
Holt Desdemona her!
[Einige vom Gefolge gehen hinaus. ]

OTHELLO
Fähnrich, geht mit. Ihr wißt den Ort am besten
Jago und einige vom Gefolge ab.
Und bis sie kommt, so wahr, wie ich dem Himmel
Bekenne meines Blutes sündige Fehle,
So treulich meld ich Euerm ernsten Ohr,
Wie ich gewann der schönen Jungfrau Herz,
Und sie das meine.

HERZOG
Sprecht, Othello!

OTHELLO
Ihr Vater liebte mich, lud oft mich ein,
Erforschte meines Lebens Lauf von Jahr
Zu Jahr: die Schlachten, Stürme, Schicksalswechsel,
So ich bestand.
Ich ging es durch, vom Knabenalter her
Bis auf den Augenblick, wo er gefragt.
So sprach ich denn von manchem harten Fall,
Von schreckender Gefahr zu See und Land;
Wie ich ums Haar dem drohnden Tod entrann,
Wie mich der Feind gefangennahm und höhnisch
Als Sklaven mich verkauft; wie ich erlöst,
Und meiner Reisen wundervolle Fahrt,
Wobei von weiten Höhlen, wüsten Steppen,
Steinbrüchen, Felsen, himmelhohen Bergen
Zu melden war im Fortgang der Geschichte,
Von Kannibalen, die einander schlachten,
Anthropophagen, Völkern, deren Kopf
Wächst unter ihrer Schulter - das zu hören
War Desdemona eifrig stets geneigt.
Oft aber rief ein Hausgeschäft sie ab,
Und immer, wenn sie eilig dies vollbracht,
Gleich kam sie wieder, und mit durstigem Ohr
Verschlang sie meine Rede. Dies bemerkend,
Ersah ich einst die günstige Stund und gab
Ihr Anlaß, daß sie mich recht herzlich bat,
Die ganze Pilgerschaft ihr zu erzählen,
Von der sie stückweis einzelnes gehört,
Doch nicht in strenger Folge. Ich begann,
Und oftmals hatt ich Tränen ihr entlockt,
Wenn ich ein leidvoll Abenteur berichtet
Aus meiner Jugend. Als ich nun geendigt,
Gab sie zum Lohn mir eine Welt von Seufzern;
Sie schwur - in Wahrheit, seltsam! Wundersam!
Und rührend wars, unendlich rührend wars! -,
Sie wünscht', sie hätts gehört nicht; doch sie wünschte,
Der Himmel habe sie als solchen Mann
Geschaffen, und sie dankte mir und bat mich,
Wenn je ein Freund von mir sie lieben sollte,
Ich mög ihn die Geschicht erzählen lehren,
Das würde sie gewinnen. Auf den Wink
Erklärt ich mich.
Sie liebte mich, weil ich Gefahr bestand;
Ich liebte sie um ihres Mitleids willen:
Das ist der ganze Zauber, den ich brauchte!
Hier kommt das Fräulein, laßt sie dies bezeugen.
Desdemona, Jago und Gefolge treten auf.

HERZOG
Nun, die Geschichte hätt auch meine Tochter
Gewonnen. Würdiger Brabantio,
Nehmt, was versehn ward, von der besten Seite;
Man ficht doch lieber mit zerbrochnem Schwert
Als mit der bloßen Hand.

BRABANTIO
Hört sie, ich bitt Euch;
Bekennt sie, daß sie halb ihm kam entgegen,
Fluch auf mein Haupt, wenn meine bittre Klage
Den Mann verunglimpft! - Komm her, junge Dame:
Wen siehst du hier in diesem edlen Kreis,
Dem du zumeist Gehorsam schuldig bist?

DESDEMONA
Mein edler Vater,
Ich sehe hier zwiefach geteilte Pflicht;
Euch muß ich Leben danken und Erziehung,
Und Leben und Erziehung lehren mich
Euch ehren; Ihr seid Herrscher meiner Pflicht,
Wie ich Euch Tochter. Doch hier steht mein Gatte,
Und so viel Pflicht, als meine Mutter Euch
Gezeigt, da sie Euch vorzog ihrem Vater,
So viel muß ich auch meinem Gatten widmen,
Dem Mohren, meinem Herrn.

BRABANTIO
Gott sei mit dir!
Ich bin zu Ende. -
Beliebts Eur Hoheit, jetzt zu Staatsgeschäften! -
O zeugt ich nie ein Kind und wählt ein fremdes! -
Tritt näher, Mohr! -
Hier geb ich dir von ganzem Herzen hin,
Was, hättst du's nicht, ich dir von ganzem Herzen
Verweigerte. - Um deinetwillen, Kleinod,
Erfreuts mich, daß kein zweites Kind mir ward;
Durch deine Flucht wär ich tyrannisch worden
Und legt ihr Ketten an. - Ich bin zu Ende.

HERZOG
Ich red an Eurer Statt und fäll ein Urteil,
Das eine Stufe sei, den Liebenden
In Eure Gunst zu helfen.
Wem nichts mehr hilft, der muß nicht Gram verschwenden,
Und wer das Schlimmste sah, die Hoffnung enden;
Unheil beklagen, das nicht mehr zu bessern,
Heißt um so mehr das Unheil nur vergrößern.
Was nicht zu retten, laß dem falschen Glück,
Und gib Geduld für Kränkung ihm zurück.
Zum Raube lächeln, heißt den Dieb bestehlen,
Doch selbst beraubst du dich durch nutzlos Quälen.

BRABANTIO
So mögt Ihr Zypern nur den Türken gönnen;
Wir habens noch, solang wir lächeln können.
Leicht trägt den Spruch, wen andre Last nicht drückt,
Und wen der selbstgefundne Trost erquickt;
Doch fühlt er sein Gewicht bei wahren Sorgen,
Wenns gilt, von der Geduld die Zahlung borgen.
Bitter und süß sind all derlei Sentenzen,
Die, so gebraucht, an Recht und Unrecht grenzen;
Doch Wort bleibt Wort - noch hab ich nie gelesen,
Daß durch das Ohr ein krankes Herz genesen. -
Ich bitt Euch inständig, gehn wir an die Staatsgeschäfte.

HERZOG
Der Türke segelt mit gewaltiger Kriegsrüstung gegen Zypern. Othello, Euch ist die Festigkeit des Orts am besten bekannt, und obgleich Wir dort einen Statthalter von unbestrittner Fähigkeit besitzen, so hegt doch die öffentliche Meinung, eine unbeschränkte Gebieterin des Erfolgs, eine größere Zuversicht zu Euch. Ihr müßt Euch deshalb gefallen lassen, den Glanz Eures neuen Glücks durch diese rauhe und stürmische Unternehmung zu verdunkeln.

OTHELLO
Die eiserne Gewohnheit, edle Herren,
Schuf mir des Krieges Stahl und Felsenbett
Zum allerweichsten Flaum; ich rühme mich
Natürlicher und rascher Munterkeit
Im schwersten Ungemach und bin bereit
Zum jetzigen Feldzug mit dem Muselmann.
In Demut drum mich neigend dem Senat,
Verlang ich Sorg und Schutz für mein Gemahl,
Anständige Rücksicht ihrem Rang und Aufwand
Und solche Wohnung, solche Dienerschaft,
Als ihrem Stand geziemt.

HERZOG
Wenns Euch genehm,
Bei ihrem Vater.

BRABANTIO
Nimmer geb ichs zu.

OTHELLO
Noch ich.

DESDEMONA
Noch ich; nicht gern verweilt ich dort
Und reizte meines Vaters Ungeduld,
Wär ich ihm stets vor Augen. - Gütiger Fürst,
Leiht meinem Vortrag ein geneigtes Ohr
Und laßt mir Eure Gunst als Freibrief gelten,
Mein schüchtern Wort zu kräftigen.

HERZOG
Was wünscht Ihr, Desdemona?

DESDEMONA
Daß ich den Mohren liebt, um ihm zu leben,
Mag meines Glücks gewaltsam jäher Sturm
Der Welt zurufen: ja, mein Herz ergab sich
Vollständig meines Herren wahrer Art.
Mir war Othellos Antlitz sein Gemüt,
Und seinem Ruhm und seinem Heldensinn
Hab ich die Seel und irdisch Glück geweiht.
Drum, würdige Herrn, läßt man mich hier zurück
Als Friedensmotte, und er zieht ins Feld,
So raubt man meiner Liebe teures Recht
Und läßt mir eine schwere Zwischenzeit,
Dem Liebsten fern. So laßt mich mit ihm ziehn!

OTHELLO
Stimmt bei. Ihr Herrn! Ich bitt Euch, ihrem Willen
Laßt freien Weg!
Der Himmel zeuge mirs, dies bitt ich nicht,
Den Gaum zu reizen meiner Sinnenlust,
Noch heißem Blut zu Liebe, jungen Trieben
Selbstsüchtiger Lüste, die jetzt schweigen müssen,
Nur ihrem Wunsch willfährig hold zu sein.
Und Gott verhüt, Eur Edeln möchten wähnen,
Ich werd Eur ernst und groß Geschäft versäumen,
Weil sie mir folgt; nein, wenn das flüchtige Spiel
Des Flügelgottes mir mit Buhlerträgheit
Des Geistes und der Tatkraft Schärfe stumpft
Und mich Genuß entnervt und schwächt mein Wirken,
Mach eine Hausfrau meinen Helm zum Kessel,
Und jedes niedre und unwürdige Zeugnis
Erstehe wider mich und meinen Ruhm!

HERZOG
Es sei, wie Ihrs mitsammen festgesetzt:
Sie folg Euch oder bleibe; das Geschäft
Heischt dringend Eil,

ERSTER SENATOR
zur Nacht noch müßt Ihr fort!

[DESDEMONA
Heut nacht, mein Fürst?

HERZOG
Heut nacht. ]

OTHELLO
Von ganzem Herzen.

HERZOG
Um neun Uhr früh versammeln wir uns wieder.
Othello, laßt 'nen Offizier zurück,
Der Eure Vollmacht Euch kann überbringen,
Und was noch sonst Eur Amt und Dienstverhältnis
Betrifft.

OTHELLO
Gefällts Eur Hoheit, hier mein Fähnrich;
Er ist ein Mann von Ehr und Redlichkeit,
Und seiner Führung laß ich meine Frau
Und was Eur Hoheit sonst für nötig achtet,
Mir nachzusenden.

HERZOG
So mag es sein. - Gut Nacht jetzt insgesamt!
Zu Brabantio.
Und würdiger Herr,
Wenn man die Tugend muß als schön erkennen,
Dürft Ihr nicht häßlich Euren Eidam nennen.

ERSTER SENATOR
Lebt wohl, Mohr! Liebt und ehret Desdemona!

BRABANTIO
Sei wachsam, Mohr! Hast Augen du, zu sehn,
Den Vater trog sie, so mags dir geschehn.
Herzog , [und ] Senatoren , Amtsdiener und Gefolge ab.

OTHELLO
Mein Kopf für ihre Treu. - Hör, wackrer Jago,
Ich muß dir meine Desdemona lassen;
Ich bitt dich, gib dein Weib ihr zur Gesellschaft
Und bringe sie mir nach, sobald du kannst. -
Komm, Desdemona, nur ein Stündchen bleibt
Der Lieb und unserm häuslichen Geschäft
Zu widmen uns; laß uns der Zeit gehorchen.
Othello und Desdemona ab.

RODRIGO
Jago -

JAGO
Was sagst du, edles Herz?

RODRIGO
Was werd ich jetzt tun, meinst du?

JAGO
Nun, zu Bette gehn und schlafen.

RODRIGO
Auf der Stelle ersäufen werd ich mich.

JAGO
Nun, wenn du das tust, so ists mit meiner Freundschaft auf ewig aus. Ei, du alberner junger Herr.

RODRIGO
Es ist Albernheit zu leben, wenn das Leben eine Qual wird, und wir haben die Vorschrift zu sterben, wenn Tod unser Arzt ist.

JAGO
O über die Erbärmlichkeit! Ich habe der Welt an die viermal sieben Jahre zugesehn, und seit ich einen Unterschied zu finden wußte zwischen Wohltat und Beleidigung, bin ich noch keinem begegnet, ders verstanden hätte, sich selbst zu lieben. Eh ich sagte, ich wollte mich einem Puthühnchen zuliebe ersäufen, eh tauscht ich meine Menschheit mit einem Pavian.

RODRIGO
Was soll ich tun? Ich gestehe, es macht mir Schande, so sehr verliebt zu sein; aber meine Tugend reicht nicht hin, dem abzuhelfen.

JAGO
Tugend! Abgeschmackt! In uns selber liegts, ob wir so sind oder anders. Unser Körper ist ein Garten und unser Wille der Gärtner, so daß, ob wir Nesseln drin pflanzen wollen oder Salat bauen, Ysop aufziehn oder Thymian ausjäten, ihn dürftig mit einerlei Kraut besetzen oder mit mancherlei Gewächs aussaugen, ihn müßig verwildern lassen oder fleißig in Zucht halten - ei, das Vermögen dazu und die bessernde Macht liegt durchaus in unserm freien Willen. Hätte der Waagbalken unsres Lebens nicht eine Schale von Vernunft, um eine andre von Sinnlichkeit aufzuwiegen, so würde unser Blut und die Bösartigkeit unsrer Triebe uns zu den ausschweifendsten Verkehrtheiten führen; aber wir haben die Vernunft, um die tobenden Leidenschaften, die fleischlichen Triebe, die zügellosen Lüste zu kühlen, und daraus schließe ich, was du Liebe nennst, sei ein Pfropfreis, ein Ableger.

RODRIGO
Das kann nicht sein.

JAGO
Es ist nur ein Gelüst des Bluts, eine Nachgiebigkeit des Willens. Auf, sei ein Mann! Dich ersäufen? Ersäufe Katzen und junge Hunde! Ich nenne mich deinen Freund und erkläre mich an dein Verdienst geknüpft mit dem Ankertau der ausdauerndsten Festigkeit; nie konnte ich dir besser beistehn als jetzt. Tu Geld in deinen Beutel, zieh mit in diesen Krieg, verstelle dein Gesicht durch einen falschen Bart; ich sage dir: tu Geld in deinen Beutel! Es ist undenkbar, daß Desdemona den Mohren auf die Dauer lieben sollte - tu Geld in deinen Beutel! - noch der Mohr sie; es war ein gewaltsames Beginnen, und du wirst sehn, die Katastrophe wird eine ähnliche sein. Tu nur Geld in deinen Beutel; so ein Mohr ist veränderlich in seinen Neigungen; fülle deinen Beutel mit Geld; die Speise, die ihm jetzt so würzig schmeckt wie Süßholz, wird ihn bald bittrer dünken als Koloquinten. Sie muß sich einem Jüngeren zuwenden; hat sie ihn erst satt, so wird sie den Irrtum ihrer Wahl einsehn. Sie muß Abwechslung haben, das muß sie; darum tu Geld in deinen Beutel! Wenn du durchaus zum Teufel fahren willst, so tu es auf angenehmerem Wege als durch Ersäufen. Schaff dir Geld, soviel du kannst! Wenn des Priesters Segen und ein hohles Gelübde zwischen einem abenteuernden Afrikaner und einer überlistigen Venezianerin für meinen Witz und die ganze Sippschaft der Hölle nicht zu hart sind, so sollst du sie besitzen; darum scharf dir Geld! Zum Henker mit dem Ersäufen! Das liegt weit ab von deinem Wege. Denke du lieber drauf, zu hängen, indem du deine Lust büßt, als dich zu ersäufen und sie fahren zu lassen.

RODRIGO
Soll ich meine Hoffnung auf dich bauen, wenn ichs drauf wage?

JAGO
Auf mich kannst du zählen! Geh, schaff dir Geld! Ich habe dirs oft gesagt und wiederhole es aber- und abermals, ich hasse den Mohren! Mein Grund kommt von Herzen, der deinige liegt ebenso tief; laß uns fest in unsrer Rache zusammenhalten! Kannst du ihm Hörner aufsetzen, so machst du dir eine Lust und mir einen Spaß. Es ruht noch manches im Schoß der Zeit, das zur Geburt will. Grade durch! Fort! Treib Geld auf! Wir wollen es morgen weiter verhandeln. Leb wohl!

RODRIGO
Wo treffen wir uns morgen früh?

JAGO
In meiner Wohnung.

RODRIGO
Ich werde zeitig dort sein.

JAGO
Gut, leb wohl! - Höre doch, Rodrigo!

RODRIGO
Was sagst du?

JAGO
Nichts von Ersäufen! Hörst du?

RODRIGO
Ich denke jetzt anders. Ich will alle meine Güter verkaufen.
Ab.

JAGO
[Nur zu; tu nur Geld genug in deinen Beutel!
Rodrigo ab.]
So muß mein Narr mir stets zum Säckel werden;
Mein reifes Urteil würd ich ja entweihn,
Vertändelt ich den Tag mit solchem Gimpel
Mir ohne Nutz und Spaß. - Den Mohren haß ich;
Die Rede geht, er hab in meinem Bett
Mein Amt verwaltet; möglich daß es falsch,
Doch ich, auf bloßen Argwohn, in dem Fall
Will tun, als wärs gewiß. Er hat mich gern,
Um so viel besser wird mein Plan gedeihn.
Der Cassio ist ein hübscher Mann - laßt sehn!
Sein Amt erhaschen, mein Gelüste büßen -
Ein doppelt Schelmstück! Wie nur? Laßt mich sehn -
Nach einiger Zeit Othellos Ohr betören,
Er sei mit seinem Weibe zu vertraut -
Der Bursch ist wohlgebaut, von schmeidiger Art,
Recht für den Argwohn, recht den Fraun gefährlich.
Der Mohr nun hat ein grad und frei Gemüt,
Das ehrlich jeden hält, scheint er nur so;
Und läßt sich sänftlich an der Nase führen,
Wie Esel tun.
Ich habs! Es ist erzeugt; aus Höll und Nacht
Sei diese Untat an das Licht gebracht!
Er geht ab.



 
 
 
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