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Fünfter Abschnitt

Gern verfolgte und zeigte ich hier die ganze Kette der übrigen Wahrheiten, die ich aus diesen ersten abgeleitet habe. Ich müsste indess dabei manche unter den Gelehrten bestrittenen Fragen behandeln, und da ich mich mit diesen nicht überwerfen mag, so unterlasse ich es lieber und erwähne ihrer nur im Allgemeinen; Weisere mögen dann entscheiden, ob es nützlich sei, das Einzelne dem Publikum vorzulegen. Ich habe immer fest an dem Satz gehalten, kein anderes Prinzip anzunehmen, als das, was ich soeben zum Beweis von dem Dasein Gottes und der Seele benutzt habe, und Nichts für wahr zu halten, was mir nicht noch klarer und deutlicher war, als es früher die geometrischen Beweise gewesen waren. Dennoch habe ich zufriedenstellende Ergebnisse über die wichtigsten und schwierigen Fragen gewonnen, die man gewöhnlich in der Philosophie behandelt, und ich habe Gesetze gefunden, die Gott so in die Natur gelegt hat, und deren Vorstellung er so unserer Seele eingeprägt hat, dass sie selbst nach der sorgfältigsten Erwägung als solche angesehen werden müssen, welche für Alles in der Welt gelten. Durch die Betrachtung dieser Reihe von Gesetzen glaube ich einige Wahrheiten entdeckt zu haben, die nützlicher und wichtiger sind als die, wel che ich vorher gehört oder zu hören gehofft hatte.

Da ich die wichtigsten davon in einer Abhandlung entwickeln will, die zu veröffentlichen ich jetzt noch behindert bin, so kann ich sie hier nicht besser mittheilen, als wenn ich den Hauptinhalt dieser Abhandlung hier angebe. Ich hatte anfänglich die Absicht, Alles darin auf zunehmen, was ich über die Natur der körperlichen Dinge wusste. Aber schon die Maler wählen, weil sie auf der Fläche nicht alle verschiedenen Ansichten eines Körpers gleich gut darstellen können, eine hervorstechende, die sie allein in das Licht stellen; das Andere lassen sie dunkler und nur so weit, wie es bei dem Sehen in der Wirklichkeit geschieht, hervortreten. So fürchtete auch ich, dass ich in meine Abhandlung nicht Alles, was ich im Kopfe hatte, würde aufnehmen können, und setzte deshalb ausführlicher nur meine Gedanken über das Licht aus einander und fügte dann etwas über die Sonne und die Fixsterne hinzu, von denen das Licht beinahe allein ausgeht; ferner von dem Himmel, der es uns sendet; von den Planeten, den Kometen und der Erde, weil sie das Licht zurückwerfen, und von den auf der Erde befindlichen Körpern, soweit sie farbig oder durchsichtig oder leuchtend sind, und endlich behandelte ich den Menschen, weil er der Sehende ist. Um indess über Alles dies einen leichten Schatten fallen zu lassen, und um meine Ansichten freier aussprechen zu können, ohne den unter den Gelehrten herrschenden Meinungen nachgehen oder sie widerlegen zu müssen, beschloss ich, diese irdische Welt hier ihnen ganz zu ihren Streitigkeiten zu überlassen und nur das zu besprechen, was in einer ganz neuen geschehen würde, wenn Gott an einem Ort in dem Weltraume genügenden Stoff zu ihrer Gestaltung erschüfe, und wenn er den verschiedenen Theilen dieses Stoffes mancherlei Bewegungen gäbe, in Folge deren ein verworrenes Chaos sich bildete, wie es die Dichter nur erdenken können. Nachher möchte Gott dieser Natur nur seinen gewöhnlichen Beistand leisten und sie nach den ihr gegebenen Gesetzen sich entwickeln lassen. So beschrieb ich zuerst diesen Stoff und suchte ihn als das Klarste und Deutlichste in der Welt darzustellen, mit Ausnahme dessen, was über Gott und die Seele oben gesagt worden ist. Ich nahm sogar ausdrücklich an, dass dieser Stoff keine von den Eigenschaften und Gestalten hätte, über die man in den Schulen streitet, und überhaupt nichts, was nicht so natürlich wäre, dass dessen Kenntniss sich von selbst verstände. Ferner zeigte ich die Gesetze der Natur auf, und, ohne mich auf ein anderes Prinzip, als auf die unendliche Vollkommenheit Gottes zu stützen, suchte ich von da aus alles irgend Zweifelhafte festzustellen und zu zeigen, dass selbst, wenn Gott mehrere Welten geschaffen hätte, diese Gesetze dennoch in jeder gelten wür den. Dann zeigte ich, wie der grösste Theil des Stoffes in diesem Chaos sich in Folge dieser Gesetze zu einander stellen und in einer Weise ordnen würde, die unserem Himmel gliche, wie ein Theil dieses Stoffes die Erde bilden müsse, ein anderer die Planeten und Kometen und ein anderer die Sonne und die Fixsterne. Nachdem ich hier zu meinem Gegenstande, dem Licht, gelangt war, entwickelte ich möglichst ausführlich, was die Sonne und die Sterne davon enthalten, wie es von dort in einem Augenblick die ungeheuren Räume des Himmels durchdringt, und wie es, von den Planeten und Kometen zurückgeworfen, die Erde erreicht. Ich fügte hier auch Einiges über die Substanz, die Lage, die Bewegung und andere Eigenschaften des Himmels und der Gestirne bei, um zu zeigen, wie nichts in der irdischen Welt besteht, was nicht dem in der von mir beschriebenen Welt gleichen müsste oder könnte.

Von da kam ich auf die Erde insbesondere zu sprechen und zeigte, wie selbst ohne die Annahme, dass Gott in den Stoff, aus dem sie besteht, die Schwere gelegt habe, doch alle ihre Theile genau nach dem Mittelpunkt strebten; wie bei dem Dasein von Wasser und Luft auf ihrer Oberfläche die Stellung des Himmels und der Gestirne, insbesondere des Mondes, eine Ebbe und Fluth darin, wie die in unseren Meeren beobachtete, und ausserdem einen Strom im Wasser und in der Luft von Morgen nach Abend verursachen müsse, wie man ihn innerhalb der Wendekreise bemerkt. Ich zeigte, wie die Gebirge, die Meere, die Quellen und die Ströme natürlich entstehen, wie die Metalle in die Gesteine kommen, wie die Pflanzen auf den Feldern wachsen und überhaupt alle gemischten oder zusammengesetzten Körper sich auf ihr erzeugen. Da neben den Gestirnen ich nur das Feuer als eine Ursache des Lichtes kenne, so bemühte ich mich, alles zur Natur des Feuers Gehörige möglichst verständlich zu machen; insbesondere darzulegen, wovon es entstellt, wie es sich ernährt, wie es manchmal nur Wärme ohne Licht und manchmal nur Licht ohne Wärme besitzt; wie es in dem Körper verschiedene Farben und andere Eigenschaften hervorbringen kann; wie es das Eine schmilzt und das Andere verhärtet; wie es beinahe Alles verzehren oder in Asche und Rauch verwandeln kann, und wie es aus dieser Asche durch seine Kraft allein das Glas bildet. Diese Umwandlung der Asche in Glas schien mir zu den wunderbarsten Vorgängen der Natur zu gehören, und ich fand besondere Freude an ihrer Beschreibung.

Allein mit Alledem wollte ich nicht darlegen, dass die Welt in der von mir angegebenen Weise wirklich erschaffen worden sei; vielmehr ist es wahrscheinlicher, dass Gott sie gleich mit einem Male so gemacht bat, wie sie sein soll. Indess ist es gewiss und unter den Theologen allgemein anerkannt, dass die Thätigkeit, durch welche Gott die Welt erhält, dieselbe ist wie die, durch die er sie geschaffen hat. Wenn er ihr also auch im Anfange nur die Form eines Chaos gegeben und nach Feststellung der Naturgesetze ihr nur seinen Bestand zur Entwickelung wie bisher gegeben hätte, so würden doch, ohne damit dem Wunder der Schöpfung zu nahe zu treten, dadurch allein alle rein körperlichen Dinge mit der Zeit sich schaben entwickeln können, wie man sie jetzt sieht, und ihre Natur wird viel verständlicher, wenn man sie in dieser Weise entstehen sieht, als wenn man sie nur als fertige betrachtet.

Von dieser Beschreibung der leblosen Körper und Pflanzen ging ich zu den Thieren, insbesondere zum Menschen über. Da meine Kenntnisse hier aber nicht hinreichten, um in der bisherigen Weise darüber sprechen zu können, d.h. um die Wirkungen aus den Ursachen abzuleiten, und aus welchen Samen die Natur sie hervorbringt, so begnügte ich mich mit der Annahme, dass Gott den menschlichen Körper in seiner äusseren Gestalt, wie in der Bildung seiner inneren Organe ganz dem unsrigen ähnlich aus dem von mir beschriebenen Stoffe geschaffen habe, und dass er anfänglich keine vernünftige Seele noch sonst etwas von einer lebenden und empfindenden Seele in ihn gelegt, sondern in seinem Herzen nur eines von den Feuern ohne Licht entzündet habe, das ich eben erwähnt habe, und das ich mir von gleicher Art vorstellte, wie es bei der Erhitzung des Heues sich zeigt, sobald dieses feucht zusammengepackt wird, oder bei der Erhitzung des jungen Weines, wenn man ihn mit den Schalen gähren lässt. Denn bei Prüfung der daraus in dem Körper hervorgehenden Verrichtungen fand ich genau dieselben wie bei uns, ohne dass wir daran denken, und ohne dass unsere Seele, als der von dem Körper unterschiedene Theil, dessen Natur nach dort Obigen nur in dem Denken besteht, etwas dazu beitragt. Diese Verrichtungen sind deshalb die, welche wir mit den unvernünftigen Thieren gemein haben; allein sie enthalten nichts von den Vorzügen, welche von dem Denken abhängen und uns allein, als Menschen, angehören. Dagegen fand ich auch diese letzteren darin, nachdem ich angenommen, dass Gott eine vernünftige Seele geschaffen und sie mit dem Körper in der angegebenen Weise verbunden hatte.

Damit man sehen kann, wie ich diesen Gegenstand behandelt habe, will ich hier die Erklärung von der Bewegung des Herzens und der Arterien geben. Da diese Bewegung die erste und allgemeinste ist, die man bei den Thieren bemerkt, so kann man daraus leicht das Nöthige für die übrigen Bewegungen abnehmen, um das Folgende besser zu verstehen, wird es gut sein, wenn die, welche mit der Anatomie nicht vertraut sind, sich vorher das Herz eines grossen Thieres mit Lungen, welches dem menschlichen ganz ähnlich ist, aufschneiden und sich die beiden Kammern oder Höhlen desselben zeigen lassen; zuerst die auf der rechten Seite, welche mit zwei sehr starken Röhren oder Adern in Verbindung stellt, d.h. mit der Hohlvene, der Hauptempfängerin des Blutes und gleichsam des Stammes des Baumes, von dem die übrigen Venen des Körpers Zweige vorstellen, und mit der Arterienvene, welche diesen schlechten Namen erhalten hat, weil sie wirklich eine Arterie ist, die vom Herzen ausgeht und sich dann in mehrere Zweige theilt, die sich in den Lungen verbreiten. Alsdann mögen sie sich die Kammer auf der linken Seite öffnen lassen, mit der ebenfalls zwei Röhren verbunden sind, ebenso gross oder noch grösser als die vorigen, nämlich die Venenarterie, – auch ein schlechter Name, da sie nur eine Vene ist, die von den Lungen kommt, wo sie sich in mehrere Zweige theilt und mit den Venen der Arterienvene und mit den Verzweigungen der Luftröhre sich verbindet, durch welche die eingeathmete Luft eintritt, – und die grosse Arterie, welche von dem Herzen ans ihre Zweige durch den ganzen Körper vertheilt. Ich möchte auch, dass die Leser sich elf kleine Häute zeigen liessen, die wie ebenso viele kleine Thüren die vier Löcher dieser zwei Höhlen öffnen und schliessen. Drei davon sind bei dem Eintritt der Hohlvene so gestellt, dass sie den Abfluss des in derselben enthaltenen Blutes in die rechte Herzkammer nicht hindern, aber seinen Rücktritt hemmen; drei andere befinden sich am Eintritt der Arterienvene, welche, umgekehrt gestellt, das Blut zwar in die Lungen abfliessen, aber das Lungenblut nicht zurückkehren lassen. Ebenso lassen am Eintritt der Venenarterie zwei andere Häute das Blut aus der Lunge in die linke Herzkammer eintreten, aber stellen sich seinem Rücklauf entgegen, und drei am Eintritt der grossen Arterie lassen das Blut aus dem Herzen aus-, aber nicht wieder eintreten. Der Grund für diese Zahl der Häute ist, dass die Oeffnung der Venenarterie an der betreffenden Stelle oval ist und daher mit zwei Häuten genügend verschlossen werden kann, während die übrigen, welche rund sind, dazu dreier bedürfen. Die Leser mögen sich ausserdem zeigen lassen, wie die grosse Arterie und die Arterienvene von viel festerem und härterem Stoffe sind als die Venenarterie und die Hohlvene, und dass die letzteren vor ihrem Eintritt in das Herz sich ausweiten und zwei Beutel, die sogenannten Herzohren, bilden, die im Fleische dem Herzen ähnlich sind, und dass es im Herzen immer wärmer als an den ändern Stellen des Körpers ist, und dass diese Wärme, wenn ein Blutstropfen in die Höhlen tritt, letztere schnell aufbläht und erweitert, wie es bei allen Flüssigkeiten geschieht, die man tropfenweise in ein sehr heisses Gefäss fallen lässt.

Mit Rücksicht hierauf brauche ich zur Erklärung der Herzbewegung nur zu sagen, dass, wenn seine Höhlen leer vom Blute sind, solches aus der Hohlvene in die rechte und aus der Venenarterie in die linke Kammer eintritt, da diese Adern immer davon angefüllt sind, und ihre nach dem Herzen zu mündenden Oeffnungen es davon nicht abschliessen können. Sobald aber ein Blutstropfen in jede dieser Höhlen eingetreten ist, welche Tropfen bei der Grösse der Oeffnungen und bei der Anfüllung der Gefässe von Blut sehr gross sein müssen, verdünnt es sich und dehnt sich wegen der darin herrschenden Hitze aus. Damit dehnt sich das ganze Herz aus, und es schliessen sich die fünf kleinen Thüren am Eingange der beiden Adern, aus denen sie gekommen sind, und hemmen so den weiteren Eintritt von Blut in das Herz. Indem jene Blutstropfen in ihrer Verdünnung fortfahren, drücken und öffnen sie die sechs anderen kleinen Thüren am Eingange der Adern, treten durch diese heraus und blähen dadurch alle Verzweigungen der Arterienvene und der grossen Arterie beinahe gleichzeitig mit dem Herzen auf. Dies sinkt gleich darauf, wie auch die Arterien, wieder zusammen, weil das eingetretene Blut sich abkühlt; ihre sechs kleinen Thüren schliessen sich, und die fünf der Hohlvenen und Venenarterie öffnen sich wieder und lassen wieder zwei neue Blutstropfen hindurch, die sofort wieder das Herz und die Arterien aufblähen, wie das erste Mal. Weil das Blut vor seinem Eintritt in das Herz die beiden Beutel, welche man seine Ohren nennt, durchläuft, so ist dadurch die Bewegung des Herzens der ihrigen entgegengesetzt; sie sinken zusammen, während jenes sich ausdehnt. – Damit endlich Die, welche die Stärke mathematischer Beweise nicht kennen und nicht gewohnt sind, die wahren Gründe von den scheinbaren zu unterscheiden, nicht voreilig diese Angaben ohne Prüfung bestreiten, so bemerke ich, dass diese dargelegte Bewegung nothwendig ans der blossen Stellung der Organe folgt, die man am Herzen mit den Augen seilen kann, und von der Hitze, die man mit den Fingern fühlen kann, sowie aus der Natur des Blutes, das man durch Versuche feststellen kann, und zwar folgt das Alles so genau, wie die Bewegung in einer Uhr aus der Kraft, der Stellung und Gestalt ihrer Gewichte und Räder.

Fragt man aber, weshalb das Venenblut sich nicht erschöpfe, da es doch ununterbrochen in das Herz fliesse, und weshalb die Arterien nicht davon überfüllt werden, weil alles Blut aus dem Herzen in sie abfliesst, so bedarf es nur der Antwort, die schon ein englischer Arzt gegeben hat, der in rühmlicher Weise das Eis hier gebrochen und zuerst gelehrt hat, dass es am Ende der Arterien kleine Gänge giebt, durch welche das von dem Herzen empfangene Blut in die kleinen Zweige der Venen übertritt, von wo es sich sofort wieder nach dem Herzen wendet, so dass die Blutbewegung ein fortwährender Kreislauf ist. Er zeigt dies deutlich an den gewöhnlichen Operationen der Wundärzte, die durch ein Umbinden des Armes oberhalb des Ortes, wo sie in die Vene einschlagen, das Blut stärker fliessen machen, als wenn dieses Umbinden nicht geschieht; geschälte es aber unterhalb nach der Hand zu, so würde das Gegentheil eintreten, wenn sie nicht zugleich den Arm darüber sehr stark einschnüren. Denn offenbar kann die massige Unterbindung des Armes die Rückkehr des in demselben befindlichen Blutes durch die Venen nach dem Herzen verhindern, aber nicht, dass neues Blut aus den Arterien hinzukomme, da diese unter den Venen liegen und ihre härtere Haut sich weniger zusammendrücken lässt. Also wird dadurch das von dem Herzen kommende Blut stärker nach dem Arm getrieben, als es von dort durch die Venen nach dem Herzen drängt. Da nun dieses Blut durch einen Schnitt in die Vene ans dem Arme herausfliesst, so muss es nothwendig den Zugang unterhalb des Bandes haben, d.h. am Ende des Armes, wo es von der Arterie aus eintreten kann. Dieser Arzt beweist auch die Bewegung des Blutes durch die kleinen Häute, welche sich längs der Venen so gestellt befinden, dass das Blut nicht aus der Mitte des Körpers nach dessen Enden, sondern nur von da nach den Lungen fliessen kann. Ebendasselbe folgt aus dem Umstande, dass das ganze Blut in kurzer Zeit durch eine einzige geöffnete Arterie ausfliessen kann, wenn sie auch in der Nähe des Herzens stark unterbunden und zwischen dem Herzen und dem Bande geöffnet wird, da man dann das daraus fliessende Blut durchaus nicht von anderwärts ableiten kann.

Es giebt indess noch manche andere Umstände, welche bestätigen, dass die von mir angegebene Ursache des Blutumlaufs die wahre ist. So kann erstens der Unterschied des Venen- von dem Arterienblut nur davon kommen, dass dieses bei seinem Durchgang durch das Herz verdünnt und gleichsam destillirt worden und deshalb feiner, lebendiger und heisser bei seinem Ausgange ist, d.h. in den Arterien, als vor seinem Eintritt, d.h. in den Venen. Bei genauerer Beobachtung zeigt sich dieser Unterschied nur in der Nähe des Herzens und nicht in den davon entfernten Stellen. Ferner zeigt die Härte der Haut bei der Arterienvene und der grossen Arterie deutlich, dass das Blut gegen sie mit grösserer Stärke als gegen die Venen pocht. Und weshalb wären die linke Herzkammer und die grosse Arterie weiter und geräumiger als die rechte und die Arterienvene, wenn nicht das Blut der Venen arterie, was von dem Herzen nur in die Lunge gegangen ist, feiner wäre und sich mehr und leichter verdünnte als das, was unmittelbar aus der Hohlvene kommt? Und wie könnten die Aerzte den Puls benutzen, wenn sie nicht wüssten, dass das Blut nach seinem verschiedenen Zustande mehr oder weniger durch die Hitze des Herzens verdünnt und beschleunigt werden kann? Wenn man nun fragt, wie sich diese Hitze den anderen Theilen mittheile, muss man da nicht das Blut als den Vermittler anerkennen, welches bei seinem Durchgang durch das Herz sich erhitzt und von da durch den ganzen Körper verbreitet? Wie kommt es, dass man mit Wegnahme des Blutes ans einem Gliede auch ihm seine Wärme nimmt? Selbst wenn das Herz so glühend wie geschmolzenes Eisen wäre, würde es doch Hände und Füsse nicht so wie jetzt erwärmen können, wenn es ihnen nicht immer frisches Blut zusendete. Daraus ersieht man auch, dass der wahre Nutzen des Athmens darin besteht, den Lungen viel frische Luft zuzuführen, um das von der rechten Herzkammer kommende Blut, wo es verdünnt und gleichsam in Dunst umgewandelt worden ist, wieder in Blut zu verdichten und zu verwandeln, ehe es in die linke Kammer tritt; denn sonst könnte es nicht zum Unterhalt der dort befindlichen Hitze dienen. Dies wird durch die Thiere ohne Lungen bestätigt, die nur eine Herzkammer haben; ebenso durch die Frucht im Mutterleibe, welche die Lungen nicht gebrauchen kann und deshalb eine Oeffnung hat, durch welche das Blut der Hohlvene in die linke Herzkammer fliesst, und eine Ader, die es, ohne durch die Lunge zu gehen, aus der Arterienvene in die grosse Arterie überführt. Wie sollte ferner die Verdünnung im Magen vor sich gehen, wenn das Herz nicht durch die Arterien Wärme und zugleich einzelne wirksamere Bestandtheile des Blutes hinsendete, welche die Auflösung der in den Magen gelangten Fleischspeisen unterstützen? Ist nicht der Vorgang, welcher den Saft dieser Speisen in Blut umwandelt, leicht zu verstehen, wenn man bedenkt, dass dieser Saft bei seinem vielleicht hundert- bis zweihundertmal täglich erfolgendem Durchgänge durch das Herz destillirt wird? Bedarf es etwas Weiteres, um die Entstehung und Unterhaltung der verschiedenen Säfte des Körpers zu erklären, als die Kraft, mit der das Blut bei seiner Verdünnung von dem Herzen nach den Enden der Arterien treibt, wobei einzelne Theile desselben in den Gliedern haften bleiben und andere vertreiben, an deren Stelle sie treten, und dass je nach der Lage, Gestalt und Grösse der Poren, welche sie treffen, ein Theil sich eher hier wie dorthin zieht, ähnlich wie bekanntlich Siebe von verschiedener Feinheit zur Reinigung des Getreides benutzt werden? Das Merkwürdigste dabei bleibt die Erzeugung der Lebensgeister, die gleich einer feinen Luft oder einer reinen und lebhaften Flamme fortwährend in Menge vom Herzen in das Gehirn aufsteigen, von dort durch die Nerven in die Muskeln dringen und allen Gliedern die Bewegung verleihen, ohne dass es dazu einer anderen Ursache als des Blutes bedarf, dessen beweglichste und durchdringendste Theile am meisten zur Bildung dieser Geister geeignet sind und eher nach dem Gehirn als anderswohin drängen. Die Arterien, welche sie dahin führen, gehen vom Herzen aus gerade dahin, und nach den Regeln der Mechanik, welches die der Natur sind, müssen, wenn mehrere Stoffe nach einer Richtung drängen, wo sie nicht alle Platz haben, wie dies mit dem Blute nach dessen Austritt ans der linken Herzkammer nach dem Gehirn der Fall ist, die schwächeren und mittleren Bestandtheile desselben von den stärkeren zurückgedrängt werden, und letztere gelangen so allein nach dem Gehirn.

Ich hatte dies Alles in der Abhandlung, welche ich veröffentlichen wollte, genau dargestellt. Sodann hatte ich gezeigt, welcher Art die Thätigkeit der Nerven und Muskeln des menschlichen Körpers sein muss, damit die darin befindlichen Lebensgeister dessen Glieder bewegen können, wie man ja an den Köpfen, nachdem sie abgeschlagen sind, noch einige Zeit sieht, dass sie zucken und in die Erde beissen, obgleich sie nicht mehr lebendig sind. Ferner hatte ich die Veränderungen im Gehirn dargelegt, die das Wachen, Schlafen und Träumen hervorbringen; ferner wie das Licht, die Töne, die Gerüche, die Geschmäcke und übrigen Eigenschaften der Körper die Vorstellungen davon durch die Vermittelung der Sinne erwecken können, und wie der Hunger, der Durst und die übrigen inneren Gefühle auch ihre Vorstellungen erwecken. Ferner hatte ich gezeigt, was als der gemeinsame Sinn anzusehen ist, wo diese Vorstellungen empfangen werden, was als das Gedächtniss, das sie bewahrt, und was als die Phantasie, welche sie mannichfach verändern und zu neuen verbinden kann. Ebenso hatte ich gezeigt, wie durch Vertheilung der Lebensgeister in den Muskeln die Glieder des Körpers sich verschieden bewegen, und wie je nach den den Sinnen sich bietenden Gegenständen und inneren Gefühlen die Organe sich bewegen können, ohne dass der Wille sie leitet. Dies wird Niemand wundern, der weiss, wie mancherlei Automaten oder sich bewegende Maschinen die menschliche Erfindungskraft mit Mitteln herstellen kann, die in Vergleich zu den Knochen, Muskeln, Nerven, Arterien, Venen und übrigen Theilen des thierischen Körpers nur geringfügig sind, und wie deshalb dieser Körper als eine von Gott gemachte Maschine unvergleichlich besser eingerichtet und in seinen Bewegungen viel wunderbarer sein wird als das, was die Menschen in dieser Beziehung erfinden können. Ich hatte hier gezeigt, dass, wenn es solche Maschinen gäbe mit den Organen und der äusseren Gestalt eines Affen oder anderer unvernünftiger Thiere, wir kein Mittel haben würden, sie ihrer Natur nach von den Thieren zu unterscheiden. Hätten dagegen solche Maschinen Aehnlichkeit mit unserem Körper und ahmten sie seine Bewegungen so weit als möglich nach, so würden wir zwei untrügliche Mittel haben, um sie von wirklichen Menschen zu unterscheiden. Das erste wäre, dass diese Maschinen nie sich der Worte oder Zeichen bedienen können, durch deren Verbindung wir unsere Gedanken einem Anderen ausdrücken. Man kann zwar sich eine Maschine in der Art denken, dass sie Worte äusserte, und selbst Worte auf Anlass von körperlichen Vorgängen, welche eine Veränderung in ihren Organen hervorbringen; z.B. dass auf eine Berührung an einer Stelle sie fragte, was man wolle, oder schrie, dass man ihr weh thue, und Aehnliches; aber niemals wird sie diese Worte so stellen können, dass sie auf das in ihrer Gegenwart Gesagte verständig antwortet, wie es doch selbst die stumpfsinnigsten Menschen vermögen.

Zweitens würden diese Maschinen, wenn sie auch Einzelnes ebenso gut oder besser wie wir verrichteten, doch in anderen Dingen zurückstehen, woraus man entnehmen könnte, dass sie nicht mit Bewusstsein, sondern blos mechanisch nach der Einrichtung ihrer Organe handelten. Während die Vernunft ein allgemeines Instrument ist, das auf alle Arten von Erregungen sich äussern kann, bedürfen diese Organe für jede besondere Handlung auch eine besondere Vorrichtung, und deshalb ist es moralisch unmöglich, dass es deren so viele in einer Maschine giebt, um in allen Vorkommnissen des Lebens so zu handeln, wie wir es durch die Vernunft können. Durch diese Mittel kann man auch den Unterschied zwischen Mensch und Thier erkennen. Denn es ist sehr merkwürdig, dass selbst der stumpfsinnigste und dümmste Mensch, ja sogar die Verrückten einzelne Worte verbinden und daraus eine Rede herstellen können, wodurch sie ihre Gedanken mittheilen, während selbst das vollkommenste und besterzeugte Thier dies nicht vermag. Dies liegt nicht an einem Mangel der Organe; denn die Elstern und die Papageien können Worte wie wir aussprechen und können doch nicht reden wie wir, d.h. ihre Gedanken äussern, während die Taubstummen, die der Organe des Sprechens ebenso oder mehr als die Thiere beraubt sind, aus sich selbst Zeichen erfinden, durch die sie sich denen verständlich machen, welche Musse haben, ihre Sprache zu lernen.

Dies zeigt nicht blos einen niederen Grad von Vernunft bei den Thieren an, sondern dass sie ihnen ganz abgeht; denn zum Sprechen gehört nur wenig Vernunft. Da die einzelnen Thiere einer Gattung sich ebenso wie die einzelnen Menschen unterscheiden, und die einen leichter als die anderen zu dressiren sind, so würde der vollkommenste Affe oder Papagei in seiner Art gewiss es dem dümmsten Kinde oder einem blödsinnigen Kinde gleich thun, wenn ihre Seele nicht von der unsrigen völlig verschieden wäre. Man darf hierbei die Worte nicht mit den natürlichen Bewegungen vermengen, wodurch sich die Gefühle äussern, und welche die Menschen ebenso wie die Thiere nachmachen können, auch nicht mit einigen Alten glauben, dass die Thiere sprechen, und wir nur ihre Sprache nicht verstehen. Denn wäre dies der Fall, so würden bei der Uebereinstimmung vieler ihrer Organe mit den unsrigen sie sich uns ebenso wie Ihresgleichen verständlich machen können. Merkwürdig ist es allerdings, dass viele Thiere zwar in einzelnen Verrichtungen mehr Geschicklichkeit wie wir zeigen, dagegen in vielen anderen zurückstehen; aber daraus folgt nicht, dass sie Verstand haben, da sie sonst mehr haben und Alles besser machen würden als wir, vielmehr erhellt daraus, dass sie keinen haben, und dass nur die Natur in ihnen, je nach der Stellung ihrer Organe, handelt. So kann ja auch eine Uhr mit blossen Rädern und Federn viel genauer als wir mit all unserer Klugheit die Stunden zählen und die Zeit messen.

Demnächst hatte ich die vernünftige Seele beschrieben und gezeigt, dass sie auf keine Weise aus den Kräften des Stoffes, wie die übrigen erwähnten Dinge, abgeleitet werden könne, sondern dass sie besonders geschaffen sein müsse. Auch genügt es nicht, dass sie in den Körper, wie der Steuermann in dem Schiffe, gestellt sei, um seine Glieder zu bewegen, sondern dass sie enger mit ihm verbunden und geeint sei, wenn sie solche Empfindungen und Begehrungen wie wir haben und damit den ganzen Menschen herstellen soll. Ich habe etwas ausführlicher über die Seele wegen ihrer Wichtigkeit gehandelt; denn nächst dem Irrthume derer, die Gott leugnen, den ich oben genügend widerlegt habe, giebt es keinen, der die schwachen Geister mehr von dem Pfade der Tugend ableitet, als die Meinung, dass die Seelen der Thiere die gleiche Natur mit den unsrigen haben, und dass wir deshalb so wenig wie die Fliegen und Ameisen nach dem Tode etwas zu fürchten oder zu hoffen haben. Weiss man dagegen, wie sehr verschieden sie sind, so versteht man um so besser die Gründe, welche die Unabhängigkeit der Seele von ihrem Körper beweisen, und dass sie deshalb nicht zugleich mit ihm untergeht. Da man nun sonst keine Ursachen wahrnimmt, welche die Seele zerstören könnten, so ist man dann um so eher bereit, sie für unsterblich zu halten.


 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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